0459 - Die Herrin der Drachen
hingebungsvoll verlangend.
Nicole küßte ihn wieder. »Natürlich sind wir verrückt«, sagte sie. »Sonst hätten wir nicht draußen im Regen getanzt und uns geliebt, sonst würden wir nicht immer wieder auf Dämonenjagd gehen, anstatt unser Geld mit dem zu verdienen, was der Volksmund als ›ehrliche Arbeit‹ ansieht.«
Sie küßte ihn wieder. »Aber manchmal ist es schön, verrückt zu sein«, sagte sie. »Die sogenannten Normalen wissen gar nicht, was sie vermissen.«
»Deshalb wird es ihnen auch nicht fehlen«, sagte Zamorra. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«
»Du weißt, daß es mich gibt«, flüsterte Nicole verschwörerisch und vielsagend. Zamorra lächelte.
»Mittlerweile muß ich kapitulieren«, sagte er. »Ich bin kaputt.«
»Schade. Gibt’s keine Möglichkeit, einen ermatteten Krieger wieder aufzurichten?«
Der Parapsychologe lachte leise. »Nicht immer«, gestand er. »Du unersättliche Bestie, was ist mit dir los?«
»Ich bin froh, daß wir endlich wieder allein sind«, sagte Nicole. »Lange genug habe ich darauf warten müssen. Hast du dir schon mal überlegt, daß unser riesengroßes Château zwar eine wunderschöne Sache ist, unsere Gastfreundschaft aber manchmal über meine Kräfte zu gehen droht?«
Zamorra richtete sich halb auf. »Warum, hast du dann nie etwas gesagt?« fragte er.
»Kann ich denn Freunden verweigern, bei uns zu sein? Aber manchmal ist es auch schön, wenn wir beide unter uns sein können! Ich mag unsere Freunde, aber ich liebe dich, und das möchte ich dir manchmal auch zeigen können, ohne daß jemand Strichlisten führt.«
Zamorra schluckte.
»Also - Château Montagne künftig für Besucher sperren?«
Nicole schüttelte heftig den Kopf. »Unsinn«, sagte sie. »Ich freue mich ja auch, wenn hier nicht alles trist und leer ist in diesem riesigen zimmerreichen Gemäuer. Nur sind unsere Freunde viel zu gute Freunde - zumindest manchmal. Ich will niemanden missen. Aber ich genieße es auch, wenn ich zwischendurch mal ganz allein mit dir sein kann.« Ihre Hand glitt sanft streichelnd über seine Brust und wanderte weiter.
»Wer weiß, wann wir einmal wieder so viel Zeit für uns allein haben werden wie jetzt.«
Zamorra zuckte mit den Schultern.
Vor wenigen Tagen noch hatte Château Montagne vor Leben gesprüht.
Monica und Uschi Peters hatten -nicht zum ersten Mal - für eine Weile hier gewohnt, die eineiigen blonden Zwillinge mit der besonderen telepathischen Begabung. Die zwei, die eins sind, hatte Merlin sie einmal genannt, weil ihre besondere Gabe nur funktionierte, wenn man sie nicht über eine bestimmte Distanz hinweg voneinander trennte. Sie waren nicht voneinander zu unterscheiden, und zwischen ihnen gab es eine sehr intensive emotionelle Bindung. Sie gehörten zusammen, sie unternahmen alles gemeinsame - und sie liebten denselben Mann, ohne sich dadurch eifersüchtig in die langen blonden Haare zu geraten: Robert Tendyke. Uschi Peters hatte ihm einen Sohn geboren - Julian Peters, das Telepathenkind, das magische Wesen, das anders war als jeder normale Mensch.
Robert Tendyke hatte sich zuletzt im Zorn von Zamorra getrennt und ihm bedeutet, daß es keine Freundschaft mehr zwischen ihnen gäbe. Die Zwillinge, im Gewissenskonflikt, waren mit ihm gegangen.
Zamorra hoffte, daß die beiden Mädchen es schafften, Tendyke zu beruhigen und zum Einlenken zu bewegen. Er wollte den Freund nicht verlieren. Zu viel hatten sie gemeinsam erlebt, zu viel verband ihre Schicksale. Aber andere Freunde Zamorras hatten, sich gegen den Fürsten der Finsternis gestellt, und Zamorra hatte sich in Tendykes Augen nicht auf Julians Seite gestellt - und wer Gegner seines Sohnes war, der war auch nicht Tendykes Freund.
Daß es alles anders, weitaus vielschichtiger und tiefgreifender war, das interessierte Robert Tendyke nicht. Er war, was seinen Sohn anging, betriebsblind.
Aber nicht nur, weil die Zwillinge fort waren, war das Château jetzt relativ leer.
Don Cristofero Fuego de Zamora y Montego und sein Haus- und Hof-Zauberer waren nach England ›ausgelagert‹ worden.
Die beiden, vor allem der Zeit-Zauberer, hatten Zamorra und Nicole eine Weile gehörig in Trab gehalten. Don Cristofero stammte aus der Zeit des legendären Sonnenkönigs. Er gehörte zur spanischen Linie von Zamorras Vorfahren, und damals hatte ihm Château Montagne gehört. Den Zeit-Zauberer, den verwachsenen, schreiend bunt gekleideten Gnom mit der jettschwarzen Haut, hatte er aus einer Laune
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