0459 - Geheimwaffe Ghoul
dem man sie eingerieben hatte.
Gemächlich wog ich den Wagenheber in der Hand. »Wir werden sehen, ob wir schlauer sind als Herkules.«
Mark blieb an meiner Seite. Er schaute sich vorsichtig um. Auch mir war nicht wohl in meiner Haut. Eine Stelle wie diese eignete sich sehr gut für einen Überfall. Deckung würden wir kaum finden.
Die Wände rechts und links bestanden zwar aus porösem Gestein, aber sie besaßen keine Nischen oder Höhlen.
»Du denkst an die Ghouls, wie?«
»Klar.«
Ich lachte. »Haben sie die Steine auf den Weg gerollt?«
»Könnte sein.«
Ich bückte mich bereits und setzte den Wagenheber als Hebelwerkzeug dort an, wo sich der Felsen und der Boden berührten.
»Okay, du kannst auch dagegendrücken, Mark.«
Er tippte mir auf die Schultern. »Nein, das mache ich nicht.«
»Wieso? Ich…«
»Komm hoch, John!« zischte er mir zu.
Ich richtete mich auf und sah in das Gesicht des CIA-Agenten, das sich verändert hatte. Die Züge waren gespannt, die Nasenflügel ein wenig geweitet. »Riechst du nichts, John?«
»Ghouls?«
Er nickte.
Auch ich schnüffelte jetzt, ging nach links, drehte mich dabei und hatte plötzlich das Gefühl, in einer herantreibenden Wolke aus Modergeruch zu stehen.
Sie waren da, sogar in der Nähe!
»Und?«
Ich drehte mich zu Mark hin. »Verdammt, ich glaube, uns steht einiges bevor…«
***
Sie waren da, aber wir sahen sie nicht, und so konnten sie mit uns Katz und Maus spielen.
Meine Beretta ließ ich stecken, weil es keinen Sinn hatte, einfach in die Gegend hineinzuballern. Aber ich holte mein Kreuz hervor.
Mark beobachtete mich dabei. »Hast du es noch immer?«
»Aber sicher. Ich werde mich auch hüten, es abzugeben.«
Wir standen vor den Felsen, rochen die Ghouls, doch zu sehen war von ihnen nichts. Nur die verdammten stinkenden Wolken trieben uns entgegen.
Ghoul-Gespenster, hatte Mark Baxter gesagt. Ich bekam Magenschmerzen, wenn ich daran dachte.
»Wenn die nicht wollen, John, werden sie sich auch nicht materialisieren.«
»Dann müssen wir sie zwingen.«
»Und wie?«
Baxter bekam von mir keine Antwort. Ich konzentrierte mich auf den Wind, der über die Felsen hinwegwehte und auch durch mein Gesicht streifte. Und er brachte die unsichtbare, stinkende Wolke mit.
Mir kam es vor wie ein Angriff. Sie drängte sich gegen mein Gesicht. Ich riß blitzschnell die rechte Hand mit dem Kreuz in die Höhe und hörte plötzlich einen ächzenden Schrei.
Der Ghoul materialisierte sich!
***
Es war nicht einfach gewesen, noch eine Unterkunft zu finden. Wie es Sir James trotzdem geschafft hatte, war Inspektor Suko ein Rätsel.
Zwar mußte er sich das kleine Zimmer mit seinem Freund John Sinclair teilen, aber das machte ihm nichts aus. Hauptsache, sie hatten ein Dach über dem Kopf, wenn es nötig sein sollte.
Beide wohnten in einem kleinen Haus. Es war aus Holz gebaut worden, lag am Rande der Stadt und auch nicht weit vom Hafen entfernt. Wenn Suko aus dem Fenster schaute, konnte er den Turm der modernen Hallgrimskirche erkennen, das Wahrzeichen der Stadt Reykjavik. Der graue Turm besaß ein spitzes Dach, und seine Mauern wurden durch nach oben schmaler werdende treppenartige Aufbauten abgestützt.
Daß John allein gefahren war, paßte Suko nicht. Es gehörte aber zu ihrem Plan, denn Suko sollte zunächst in der Stadt die Stellung halten und sich auch mit jemandem treffen.
Nicht einfach in irgendeinem Lokal oder einer Kneipe, nein, man würde sich mit ihm in Verbindung setzen.
So wartete er in einem Zimmer, in dem kein Telefon stand. Manchmal schaute er durch das Fenster auf den Hafen, wo zahlreiche Schiffe vor Anker lagen. Möwen und andere Seevögel umflatterten die Kähne. Wenn der Wind günstig stand, drang ihr Geschrei bis an Sukos Ohren.
Seit fast drei Stunden wartete er in dem kleinen, mit hellen Holzmöbeln eingerichteten Zimmer. Er hatte eine Flasche Mineralwasser geleert, auch etwas Radio gehört, sich ansonsten aber ruhig verhalten, und er war dabei seinen Gedanken nachgegangen.
Für Suko war es nicht einfach gewesen, sich wieder an den normalen Trott des Alltags zu gewöhnen. Es war einfach zu viel geschehen. Shao war ihm genommen worden. Als Tote war sie von ihm gegangen, aber nur, um ihr Erbe erfüllen zu können. Was sich da noch alles anbahnte, darüber konnte Suko bisher nur spekulieren.
Er war wieder allein.
Diesen Schock mußte er überwinden. In den letzten Jahren hatte er sich ungemein stark an Shao gebunden gefühlt. Ihr Tod war
Weitere Kostenlose Bücher