046 - Der Schatten des Werwolfs
lass mich allein!«
»Ist das alles, was du mir zu sagen hast, Ron?«
»Ja, das ist alles.«
Die Stimme des Mannes klang jetzt eisig.
»Kommst du heute nach Hause?«
»Das weiß ich noch nicht. Bitte geh, Carol!«
Sesselrücken war zu hören, dann Schritte und das Öffnen einer Tür, wieder Schritte, das Läuten des Telefons.
»Chasen«, meldete sich der Architekt.
»Sie hat es geschafft.« Wood war zufrieden. »Es ist Carol Chasen gelungen, die Wanze zu befestigen.«
»Sei still!«, zischte Archer.
»Ich habe einige Pläne vorbereitet, Miss Lorrimer«, sagte Chasen. »Ich hoffe, dass sie Ihnen gefallen werden.«
Chasen sagte einige Sekunden nichts, dann: »Ja, ich verstehe, ich werde heute zu Ihnen kommen. Um neunzehn Uhr. Ja, ich habe verstanden.« Wieder herrschte einige Sekunden Schweigen.
»Auf Wiedersehen, Miss Lorrimer!«, sagte Chasen abschließend. »Ja, ich werde pünktlich sein. Um neunzehn Uhr.«
»Das mit der Wanze war eine gute Idee«, sagte John Wood zufrieden. Er war ein breitschultriger, gut aussehender Fünfundzwanzigjähriger.
Archer nickte und legte die Stirn in Falten. »Du wartest hier, John!«, sagte er. »Nimm alle Gespräche Chasens auf Band auf! Ich sehe mir mal das Haus der Lorrimers an.«
Archer stieg aus dem Morris und ging in die New Bond Street, in der er seinen Mini geparkt hatte. Er klemmte sich hinters Steuer und fuhr los.
Die Lorrimers besaßen ein Haus am Stadtrand von London, in der Nähe des Richmond Parks. Die Adresse hatte er von Carol Chasen bekommen.
Der Verkehr wurde erst etwas schwächer, als Archer Kensington erreicht hatte. Nun kam er rasch vorwärts.
In den vier Jahren – seit er für das Detektivbüro Observer arbeitete – hatte er unzählige Fälle zu bearbeiten gehabt. Der Observer war ein ziemlich großes Unternehmen, spezialisiert auf Scheidungsfälle, Versicherungsbetrügereien und Überwachungen. In den vergangenen zwei Jahren war das modernste Ausrüstungsmaterial angeschafft worden – Abhörgeräte und raffinierte Fotoapparate.
Carol Chasen hatte den Auftrag gegeben, ihren Mann nicht aus den Augen zu lassen – und diesen Wunsch würde ihr Archer erfüllen. In seiner Praxis war er mehr als hundertmal mit eifersüchtigen Frauen und Männern konfrontiert worden, und er war ziemlich sicher, das auch hier eine andere Frau hinter dem veränderten Verhalten Ronald Chasens steckte.
Archer seufzte. Immer das Gleiche , dachte er. Da heiratet ein junger aufstrebender Mann eine Frau. An fangs geht alles gut, bis der junge Mann Erfolg hat. Die Frau lässt sich in den meisten Fällen gehen, vernachlässigt ihr Äußeres, nörgelt an ihrem Mann herum, der sich das eine Zeitlang gefallen lässt und dann genug von ihr hat. Die Frau geht ihm auf die Nerven. Er überlegt und sucht sich eine andere, was für einen erfolgreichen Mann ziemlich einfach ist.
Archer fuhr nach Roehampton. Er blieb kurz stehen, holte den Stadtplan hervor, studierte ihn, warf ihn zurück ins Handschuhfach und fuhr weiter.
Nach wenigen Minuten erreichte er den Kingston By-Pass, eine gut ausgebaute Schnellstraße. Kurz vor dem Coombe Golf Hill Course bog er in die Robin Hood Road ein und verlangsamte das Tempo. Ringsum waren Wiesen und kleine Wälder zu sehen. Dazwischen standen hübsche Villen.
Als er das Haus der Lorrimers sah, bremste er ab und ließ den Wagen ausrollen. Die Villa stand mehr als fünfhundert Meter von der Straße entfernt. Ein schmaler Weg schlängelte sich zum Haus, von dem nur das Dach hinter den hohen, mit Efeu bewachsenen Mauern zu sehen war.
Archer blieb einige Minuten sitzen. Nur ein Kombiwagen kam an ihm vorbei; der Fahrer interessierte sich nicht für ihn.
Der Privatdetektiv stieg aus, steckte einen Feldstecher ein und schlenderte langsam zum Haus. Das schwere Eisentor war geschlossen und die Mauer fast drei Meter hoch. Rechts befand sich eine steil abfallende Wiese, links wuchsen in etwa hundert Meter Entfernung einige uralte Eichen.
Archer überlegte einige Sekunden. Er wollte einen Platz finden, von dem aus er das Haus beobachten konnte. Die Wiese schied aus.
Er wandte sich nach links und ging rund um die Mauer. Hinter dem Haus entdeckte er noch eine Wiese.
Da bleiben nur die Eichen als Beobachtungspunkt , dachte Archer.
Er ging zu den Bäumen und suchte sich einen knorrigen Baum aus. Geschickt packte er einen herabhängenden Ast, hangelte sich hoch, blieb auf einem starken Ast stehen, lehnte sich gegen den Baumstamm und brummte zufrieden.
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