046 - Penelope von der 'Polyantha'
nach Boston, Massachusetts, fahren. Niemand wird etwas davon wissen. Den Kapitän kenne ich persönlich, und die Mannschaft werde ich schon irgendwie beruhigen können.«
Der Captain biß sich nachdenklich auf die Lippen.
»Wenn der Tanker wirklich dort ist -«
»Der ist bestimmt dort«, entgegnete Mr. Orford etwas ungehalten. »Ich habe so disponiert.«
John ging nach oben, um Penelope die Lage zu erklären.
»Ich fürchte, wir können Ihnen an Bord des Tankschiffes nicht dieselben Annehmlichkeiten bieten wie hier, aber Sie haben dann wenigstens ein festes Reiseziel. Wir fahren nach Boston und werden in zehn Tagen dort ankommen. Dann sind alle Schwierigkeiten für Sie zu Ende, und Sie kommen nach allem doch wieder heil nach Kanada zurück!«
Sie lächelte ein wenig traurig.
»Ich hatte nicht erwartet, auf diese Weise wieder nach Kanada zurückzukommen. Aber solange wir überhaupt noch irgendwo hinkommen -«
Sie fühlte sich sehr unzufrieden und wußte eigentlich selbst nicht, warum, bis sie erkannte, daß seine Worte sie verletzt hatten. Er nahm einfach an, daß sie nur wünschte, nach Kanada zurückzukehren. Von dieser phantastischen Heirat, die Mr. Orford plante, erwähnte er überhaupt nichts. Es war so absurd, aber sie hatte doch ihre Einwilligung gegeben. Sie mußte ihre Gedanken erst wieder sammeln.
»Es ist eigentlich sehr schade«, gestand sie. Sie hätte sich die Zunge abbeißen können, daß sie das gesagt hatte.
Glücklicherweise schien er ihrem Gedankengang jedoch nicht gefolgt zu sein.
»Ich werde mich an Bord des Tankers ganz wohl fühlen. Bitte, machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen. Ich habe die ›Polyantha‹ allerdings sehr liebgewonnen, und es tut mir leid, daß ich sie verlassen muß.«
»Trotz der vielen Aufregungen und geheimnisvollen Dinge, die Sie erlebt haben?« fragte er lächelnd.
Sie nickte.
Die Organisation Mr. Orfords klappte so genau, daß sie morgens um zwei Uhr schon das Tankschiff trafen. Die außerordentlich ruhige See machte es möglich, direkt neben ihm anzulegen.
20
Es regnete, als Penelope auf der etwas schmutzigen Strickleiter zu dem wenig einladenden Eisendeck des Tankers emporkletterte. Mr. Orford hatte merkwürdigerweise die etwas halsbrecherische Tour längst hinter sich. Er hatte vorher drahtlose Nachrichten an das Schiff geschickt, so daß sie alle möglichen Bequemlichkeiten in den Kabinen vorfanden, mit denen sie gar nicht gerechnet hatten. Die beiden Schiffe trennten sich im Morgengrauen wieder, und Penelope beobachtete zwischen großen Haufen aufgerollter Taue und rostiger Ankerketten, wie die schlanke ›Polyantha‹ sich immer weiter entfernte. Es regnete unaufhörlich.
Der Tanker war lange nicht so gemütlich. Er rollte und stampfte unheimlich, selbst bei geringem Wellengang. Mrs. Dorban, die leicht seekrank wurde und obendrein den Petroleumgeruch nicht vertragen konnte, legte sich bald in ihrer Kabine nieder und blieb den ganzen Tag dort.
Penelope verfügte nur über eine kleine Kabine und hatte große Mühe, all ihre Habseligkeiten unterzubringen. Die Schubladen der Kommode und der kleine Schrank waren mit Sachen des Schiffsoffiziers angefüllt, der die Kabine vor ihr innegehabt hatte. Sie richtete sich so gut wie möglich ein und sehnte sich noch lange nicht nach dem Ende ihres Abenteuers. Sie war sich selbst nicht recht über ihre Stimmung klar.
Am nächsten Morgen begegnete sie John an Deck. Er teilte ihr viele Neuigkeiten mit, die sie in Erstaunen setzten.
»Ich glaube nicht, daß wir für immer Abschied von der ›Polyantha‹ genommen haben«, meinte er. »Mr. Orford hat mir gerade gesagt, daß er einen anderen Treffpunkt mit ihr vereinbart habe. Wenn sie von dem ersten Kriegsschiff, dem sie begegnet, durchsucht worden ist, werden wir nördlich von Madeira wieder zu ihr stoßen. Und wir haben dann Aussicht, unsere Reise unter angenehmeren Bedingungen fortzusetzen.«
»Was soll denn aus den Dorbans werden? Und aus Hollin?« fragte Penelope.
»Hollin werde ich mitnehmen müssen, wie ich es ihm versprochen habe. Was aus den Dorbans werden soll, weiß ich selbst noch nicht. Das ist noch die größte Schwierigkeit, aber ich glaube, man kann sie mit Geld abfinden und mit einem Versprechen, das ich ihnen schon halbwegs gegeben habe.«
»Was haben Sie ihnen denn versprochen?«
Er schaute aufs Meer hinaus und schwieg eine Zeit.
»Ich habe ihnen versprochen, mich unter der Bedingung, daß sie mich nicht wieder betrügen, nicht zu
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