046 - Viva Las Vegas!
Und so hoben Pessimismus und Optimismus einander auf und hielten sich die Waage.
»Außerdem«, ließ Benson noch nicht locker, »hast du je von einem gehört, der in Vegas nicht sein Glück gefunden hätte?«
Hedge schüttelte den Kopf.
»Das nicht…«
Aber das musste ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass es solche Pechvögel nicht gab; im Gegenteil.
Womöglich hatte deren Unglück so weit gereicht, dass sie nicht mehr imstande waren, davon zu erzählen…
Hedge seufzte im Stillen, betrachtete den Karren, auf dem sich ihre sämtlichen Besitztümer türmten und streichelte dem vorgespannten Biison den zottigen Hals. Fabuu hieß er, immer noch, auch ohne Hoden.
Ein gutmütiges und treues Tier, seit sie ihm eben diese abgeschnitten hatten.
Hedge grinste bei der Erinnerung daran; ein Musterbeispiel dafür, wie er sich immer schon von Benson zu allem Möglichen hatte anstiften lassen: Sie würden selbst stark wie Biisons werden, hatte sein Kumpel im Brustton tiefster Überzeugung behauptet, wenn sie seine Eier äßen - aber sie hatten lediglich gekotzt wie die Reiher, nachdem sie es getan hatten…
Manchmal glaubte Hedge in Fabuus dunklen Augen noch einen Abglanz von Trauer über den Verlust zu sehen, und auch jetzt stand dieser Ausdruck wieder darin.
Aber heute spiegelte er wohl eher die Ahnung des nahenden Abschieds wider, den Fabuu mit tierischem Instinkt wittern mochte.
Sie würden den Biison mitsamt des Karrens und allem, was darauf war, an der Tradee Station, die man ihnen bei ihrer Ankunft am Rande des weiten Tales am dortigen Vorposten zugewiesen hatte, eintauschen gegen Tzipps, ein Zahlungsmittel, das nur in Vegas und nirgendwo sonst galt.
Schon dort am Vorposten, wo der Pilgerzug aufgesplittet und verschiedenen Handelsstationen zugeleitet wurde, hatte Hedge diese leise Unsicherheit befallen, hatte in ihm der Zweifel zu nagen begonnen, ob sie denn wirklich das Richtige taten.
Beim ersten »Anblick« der gewaltigen Stadt (wirklich zu sehen war sie ja nicht hinter den Staubwolken, die der nie abreißende Strom hoffnungsvoller Zuzügler aufwirbelte), die den Talkessel bis an die Bergzüge ringsum füllte, und dieser Vorab-Organisation, die den Besitz der Neuankömmlinge taxierte und sie dann zu den entsprechenden Tauschstationen schickte, hatte Hedge das Gefühl gehabt, einer Maschinerie einverleibt, ja geradezu an sie verfüttert zu werden. Gerade so wie die Kohlen, die er und Benson ihr bisheriges Leben lang in die Feuerlöcher der Dampfmaschinen von Ozzy's Plastics & Elastics geschaufelt hatten, der Kautschuk verarbeitenden Fackoree in Hoosten, wo sie in Lohn und Brot gestanden hatten, seit sie groß und stark genug gewesen waren, eine der schweren Schaufeln zu heben.
Und dieses Gefühl hatte Hedge in den Tagen und Nächten des Wartens danach nicht mehr völlig losgelassen; es kam und ging wie die Gezeiten der Gomex-See vor Hoosten. Mal stieg der Zweifel höher, dann verebbte er wieder und es wog die Aussicht aufs Glück schwerer.
Letzteres war auch der Fall, als sie endlich, endlich an der geschäftigen Tradee Station anlangten, zwei Männer in staubgrauen Uniformen den Wert ihrer gesamten Habe schätzten und sie, derweil Fabuu mitsamt des Karrens und seiner Ladung fortgeschafft wurde, den Gegenwert in Tzipps erhielten - jeder einen prall gefüllten Ledersack, so schwer, dass man mit beiden Händen anpacken musste, um ihn sich über die Schulter zu wuchten.
»Da macht sich die Knochenarbeit in der Kautschuk-Fackoree doch bezahlt, was?«, keuchte Benson.
Hedge schnaufte, wie Fabuu oft im Geschirr vor dem Karren geschnauft hatte, und blinzelte dem Freund zu. »Allerdings - und das ist hoffentlich das letzte Mal, dass wir an diese Scheißzeiten zurückdenken müssen!«
Benson brachte es trotz der Last auf dem Rücken irgendwie fertig, seinem Kumpel einen Knuff zu versetzen. »Na, siehst du? So gefällst du mir schon besser, mein Alter!«
Hedge grinste. »Mit einem Sack voll Tzipps auf dem Buckel gefall ich mir sogar selbst recht gut!«
Dann stapften sie los, dem Glück entgegen.Und sie fanden es, und es blieb ihnen treu.
Eine Zeit lang…
***
Einige Wochen später, etliche Meilen südöstlich von Vegas
Déjà-vu - wieder einmal.
Matt Drax lächelte, und auch dafür galt: wieder einmal. Je weiter sie nach Westen kamen, desto leichter fiel ihm das Lächeln.
Weil er nach Hause kam.
Obwohl er versuchte, seine Erwartungen an die alte Heimat nicht zu hoch zu schrauben, belebte ihn die
Weitere Kostenlose Bücher