0461 - Der Druide und die Echse
Norr lachte spöttisch. »Mein Bester, dessen Namen ich immer noch nicht kenne, ich würde es doch nie riskieren, einem Priester der Kälte Befehle zu erteilen! Das liegt nicht in meinen Befugnissen. Ich kann nur bestimmte Dinge veranlassen oder verbieten und habe anschließend darüber sorgfältig Rechenschaft abzulegen. Aber Sie werden nicht verhindern können, daß die Medien in ihren nächsten Nachrichtensendungen und in ihren nächsten Zeitungsausgaben über dieses Experiment berichten und dabei erwähnen, daß die Priesterschaft der Kälte darauf verzichtete, zu versuchen, den beiden Verschollenen Hilfe zu leisten!«
»Erpresser, widerlicher!« keuchte der Kälte-Priester. »Immer, wenn Sie nicht mehr weiter wissen, fällt Ihnen ein, uns mit der Presse zu drohen.«
»Ich drohe nicht«, verbesserte Reek Norr freundlich. »Ich teile Ihnen nur mit, was ich zu tun gedenke. Natürlich würde es mein Image hart treffen, wenn diese Meldung sich im Nachhinein, als falsch erwiese, weil die Priesterschaft doch etwas getan hat. Und da Sie sicher nicht daran interessiert sind, meinem Image zu schaden, könnten Sie mir rechtzeitig mitteilen, daß Sie Schritte zur Erforschung des Phänomens einleiten, ehe ich mich mit den Leuten von Presse und Fernsehen unterhalte…«
Chronnek grinste und zeigte dabei ein prachtvolles Gebiß. Er gönnte den arroganten Priestern, die zuweilen mörderische und sauroidenverachtende Methoden anwandten, um zum Erfolg zu kommen, diese verbale Niederlage.
Norr sah es in den Augen des Priesters zornig blitzen, aber er dachte gar nicht daran, dem den Gefallen zu tun und jetzt aus dem Forschungszentrum zu verschwinden. Der Weg bis zur nächsten Redaktion war nicht kurz, und schon einige Male hatte es Mordanschläge gegeben. Norr sah Chronnek an. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihr Sichtsprechgerät benutze, um den Medienvertretern Informationen über den Stand der Dinge zu geben?«
»Benutzen Sie ruhig, Norr«, bot Chronnek an.
Der Kälte-Priester, der es ebenso wie seine drei Kollegen immer noch nicht für nötig hielt, sich mit Namen vorzustellen, knirschte so laut mit den Zähnen, daß Norr schon ein Abbrechen befürchtete.
***
»Das Hotelzimmer, natürlich«, murmelte Zamorra. Er erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal mit der Echsenwelt und ihren sauroiden Bewohnern in Berührung gekommen waren. Damals hatte Ted Ewigk sich noch verstecken müssen, weil Sara Moon ihn jagen ließ, um ihn zu töten. In seiner Frankfurter Wohnung konnte er sich deshalb nicht mehr sehen lassen. So hatte er sich in Rom niedergelassen, ein Hotelzimmer auf Dauer gemietet und nannte sich hier Teodore Eternale. Er ließ seine Beziehungen spielen und bekam sogar einen italienischen Paß.
Seine engsten Freunde waren natürlich darüber informiert gewesen, wer dieser Mann war, der lange nach einem geeigneten Haus gesucht hatte, das er nun am Stadtrand gefunden und gekauft hatte. Irgendwann war es dann soweit gewesen - in der Echsenwelt hatte die Priesterschaft der Kälte ein Experiment durchgeführt, und eine Verbindung war entstanden, ein künstliches Weltentor, das auf der Echsenwelt sich in einem Wasserfall befand und auf der Erde in dem Bad von ausgerechnet Teodore Eternales Suite. Die Silbermond-Druidin Teri Rheken war hinübergerissen worden und dafür ein Sauroide hier materialisiert. Dabei war das erste, was sie alle feststellen mußten, gewesen, daß das Magie-Niveau der beiden Welten unterschiedlich war. Mit ihren hier so starken Druiden-Kräften konnte Teri Rheken drüben in der Echsenwelt kaum etwas ausrichten, während der Sauroide, der an ihrer Stelle auf der Erde erschienen war, drüben kaum wahrnehmbare Para-Kräfte besaß, hier aber zu einem Super-Zauberer wurde.
Das Magie-Niveau entsprach dem hohen Entropie-Wert der Echsenwelt. Naturgesetze sind Stabilität und Ordnung; Magie ist Chaos, wenngleich auch das Chaos bestimmten Gesetzen unterliegt.
Im Laufe der Geschehnisse hatten sie dann Orrac Gatnor von den Sümpfen kennengelernt, aber auch Reek Norr, der zu einem guten Freund geworden war. In der Folgezeit hatte es noch weitere Begegnungen gegeben; Menschen waren in die Echsenwelt verschlagen worden, und Reek Norr hatte mehr oder weniger unfreiwillig ebenso wie Gatnor die Erde besuchen müssen. Gatnor war schließlich hier gestorben; Norr lebte nach wie vor und erfreute sich, so hoffte Zamorra, bester Gesundheit. Aber da durch die Experimente, die die Echsen durchführten, jedesmal ein
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