0464 - Der Tod der Lebedame
grimmig. »Sie sagten, daß Sie gestern abend am Tresen würfelten. Das hielt Sie nicht davon ab, Doc Kent und seinen Gesprächspartner zu beobachten. Wenn Sie bemerkt haben, daß er dem Mann nur unwillig folgte, müssen Sie auch bemerkt haben, wie dieser Mann aussah!«
»Ich… ich habe mich eigentlich nur für Ed Kents Reaktion interessiert.«
»Wirklich ein reizendes Märchen.«
Beaver füllte das dritte Glas. »Ihnen muß sehr mies sein«, konstatierte Phil spöttisch. »Aber Ihnen wird schnell noch mieser werden, wenn Sie uns nicht helfen.«
»Womit soll ich Ihnen denn helfen?« fragte Beaver, dessen Glatze von einem Netz winziger Schweißperlen bedeckt war. »Ich kenne den Mörder nicht!«
»Sie kennen den Mann, der Kent geholt hat«, sagte ich. »Geben Sie uns seine Beschreibung! Oder nennen Sie uns die Namen der Gäste, die ihn ebenfalls gesehen haben!«
Im nächsten Augenblick dachten Phil und ich, Beaver würde umfallen. Aber er setzte sich nur abrupt auf einen Hocker, der hinter dem Tresen stand. »Was soll ich denn nur machen?« keuchte er. »Geben Sie mir einen Rat!«
»Den können Sie haben«, meinte ich. »Gratis und franko. Packen Sie aus!« Beaver genehmigte sich das dritte Glas. Er setzte es so hart und ungeschickt auf, daß es zerbrach. Einer der Splitter verletzte seine Hand, die zu bluten begann. Beaver kümmerte sich nicht darum. Der Blick seiner dunklen Augen ging wie suchend ins Leere. »Ich weiß nicht, wer eben angerufen hat«, sagte er leise und ziemlich schnell, als hätte er es eilig, die Worte loszuwerden. »Aber ich weiß, was der Kerl mir androhte. Sie wollen mich umbringen, wenn ich das Maul aufreiße. Ich würde enden wie Doc Kent, haben sie gesagt.«
»Sie haben die Stimme nicht erkannt?«
»Nein.« Er schaute mich an. »Was soll ich denn jetzt machen? Wenn ich Ihnen die Beschreibung gebe, pumpen mich die Burschen voll Blei! Daß sie keine Skrupel haben, dürfte durch Ed Kents Tod zur Genüge bewiesen worden sein…«
»Es gibt nur eine Methode, Sie vor den Gangstern zu beschützen«, sagte ich. »Sie müssen uns helfen, die Banditen zu schnappen!«
Er schluckte. »Also gut«, sagte er kaum hörbar. »Ich spiele mit.«
Zwei Stunden später kreuzten wir wieder bei Beaver auf. Wir legten ihm drei Fotos vor. »Das ist er«, sagte Beaver und tippte ohne Zögern auf das Bild eines Mannes, der in unserer Kartei als Ernest Byrnes geführt wurde und der auf Grund seines roten Haares und eines gewissen explosiven Benehmens den Spitznamen Fire Box hatte.
Fire Box Byrnes war knapp 30 Jahre alt. Er verfügte über eine lange Liste kleiner und mittelschwerer Vorstrafen und hatte, wie wir wußten, schon wiederholt für M.E.T. gearbeitet. Wir bedankten uns bei Beaver und verließen das Lokal, ohne seinen Getränkeumsatz erhöht zu haben.
Inzwischen war es dunkel geworden.
Als wir zu meinem Jaguar spazierten, traten die Burschen blitzschnell von hinten an uns heran. Sie rammten uns ihre Pistolenläufe ins Kreuz und erklärten mit unmißverständlicher Schärfe, daß dies ein Stick-up sei.
Ich wandte den Kopf. Es waren nicht viele Fußgänger unterwegs. Zwei Männer, die auf uns zukamen, machten erschreckte Gesichter und kehrten hastig um. Plötzlich war der Bürgersteig wie leergefegt. Phil und ich waren allein mit den Revolvermännern.
Der Bürsche, der sich um mich kümmerte, raunzte barsch: »Über die Straße, los! Keine falsche Bewegung, sonst knallt es!«
Ich zögerte nur eine Sekunde. Phil wurde, wie ich hörte, in die entgegengesetzte Richtung geführt. Der Druck des Pistolenlaufes in meinem Rücken verstärkte sich. Ich setzte mich in Bewegung.
Wir gelangten an einen hellgrauen Mustang Hardtop, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte. Der Bursche forderte mich auf, mich so dicht an den Wagen zu stellen, daß ich die Hände auf das niedrige Dach legen konnte. »Rasch!« knurrte er.
Ich legte die Hände aufs Dach und versuchte zu erkennen, wo Phil mit seinem Begleiter abgeblieben war, aber ich konnte die beiden nicht sehen.
Dafür sah ich etwas anderes.
Vor Chuck Beavers Kneipe tauchten zwei Figuren auf, die sich in diesem Moment schwarze Masken vor das Gesicht streiften. Es bedurfte keiner ausschweifenden Phantasie, um sieh vorzustellen, was sie wollten.
Diese Entdeckung wirkte auf mich wie elektrisierend. Ich durfte es nicht dulden, daß Chuck Beaver die Liste der bisherigen Opfer vergrößerte.
Meine Reaktion war keineswegs das Ergebnis wohlerwogener
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