0464 - Der Tod der Lebedame
Messers.
***
Wir betraten das Wohnzimmer. Jemand hatte das Telefonkabel aus der Verankerung gerissen. Wir schickten den Hausmeister weg, damit er die Mordkommission verständigen konnte. Dann schauten wir uns in der Wohnung um.
Vivian Derridges Schreibsekretär war gründlich durchwühlt worden. Einige der Papiere lagen auf dem Boden verstreut. Sonst herrschte in den Räumen mustergültige Ordnung.
Phil und ich untersuchten die Papiere mit Vorsicht. Wir sasgten kein Wort. Es gab nicht viel zu sagen. Um so schneller wirbelten unsere Gedanken durcheinander. Es kam darauf an, sie in die entscheidende Stoßrichtung zu lenken.
Vivian hatte ihre Freunde vor dem Ärger schützen wollen, der sich zwangsläufig aus der Verbindung mit einem Mordfall ergibt. Ihre Bereitschaft zu schweigen war nicht honoriert worden. Einer ihrer »Freunde« hatte sie getötet.
Rustico schied aus, aber das hatte nicht viel zu sagen. Ein Mann wie Rustico hat viele Komplizen.
Wir fanden in dem Sekretär ein paar Rechnungen und eine Menge unbeschriebenes Briefpapier. Wir entdeckten keinerlei Hinweise auf die fünf Schlüsselbesitzer, die uns so brennend interessierten.
»Diesmal wird uns die Presse helfen müssen«, sagte Phil. »Ich bin neugierig, ob sich die fünf Casanovas melden werden!«
»Wir müssen ihnen natürlich Diskretion zusichern.«
»Ich wette, daß höchstens zwei den Mut haben werden, mit ihren Schlüsselexemplaren aufzukreuzen.«
Der Hausmeister kam zurück. Er hieß Parker und trug eine Armprothese. Er hatte ein hageres, ernstes Gesicht und sah aus wie ein Mann, auf den Verlaß ist. Wir setzten uns.
»Hätten Sie was dagegen, wenn ich mir eine Zigarette anstecke?« fragte er. Wir schüttelten den Kopf. Ich gab Parker Feuer. »Sie werden sich denken können, daß wir eine Menge Fragen haben«, sagte ich.
Sein Gesicht wirkte wie gemeißelt. »Vivian war okay«, sagte er und starrte ins Leere. »Immer hatte sie ein freundliches Wort und…« Seine Stimme brach. Er schluckte. Dann schaute er mich an. »Ich werde alles tun, um Ihnen zu helfen, Sir«, sagte er heiser. »Ehe der Mörder nicht auf dem Stuhl sitzt, werde ich nicht mehr ruhig schlafen können! Wenn ich eine Ahnung hätte, wer es getan hat, ich könnte…« Er ließ den Satz in der Luft hängen.
»Wir wollen keine Rache, Parker«, sagte ich nachdrücklich. »Wir suchen Aufklärung und Sühne. Kennen Sie Vivian Derridges Freunde?«
»Nicht namentlich«, erwiderte er. »Bis auf einen sind es Herren der High Society… so sehen sie jedenfalls aus. Alle verstehen es, sich gut anzuziehen, elegant und unaufdringlich. Die meisten sind so zwischen 40 und 50 Jahre alt. Im Typ ähneln sie sich sehr, clevere, erfolgreiche Geschäftsleute, die sich mit Golf und Tennis fit halten und trotz ihres Alters keine Bäuche haben.«
»Bei der Ausnahme dürfte es sich um Rustico handeln«, warf Phil ein.
Parker hörte nicht hin. Er biß sich auf die Unterlippe und sagte dann: »Über Miß Derridge wurde im Haus viel geklatscht. Die Weiber haben sich über sie die Mäuler zerrissen. Ich glaube, sie haßten Vivian. Miß Derridge war ihnen zu schick, zu elegant, zu schön und vor allem zu liberal. Na ja, sie benutzten dafür natürlich andere Ausdrücke, ich möchte sie lieber nicht wiederholen.«
»Sie wissen doch einiges über die Leute im Haus«, sagte ich. »Sind Vorbestrafte darunter?«
»Nicht, daß ich wüßte«, meinte Parker. »Lebt einer von Miß Derridges Bewunderern im Haus?«
Parker lächelte karg. »Ich bin einer von ihren Bewunderern… ich meine, ich war es«, fügte er mit gesenktem Kopf hinzu. Als Phil und ich schwiegen, sagte er: »Mißverstehen Sie das bitte nicht! Ich hatte nichts mit ihr.«
»Konzentrieren wir uns auf Miß Derridges Freunde«, sagte ich. »Wie oft kreuzten sie hier auf?«
»Ich bin Hausmeister und kein Portier«, sagte Parker. »Ich bin meistens unterwegs. Manchmal sitze ich im Keller, um eine Reparatur auszuführen, und dann wieder auf dem Dach, weil mit der Antenne etwas nicht stimmt. Mir bleibt nicht viel Zeit, das Kommen und Gehen der Hausbewohner und ihrer Gäste zu beobachten. Offen gestanden, es interessiert mich auch nicht.«
»Das ist eine schlechte Antwort auf meine Frage, Parker. Sie wollen uns doch helfen, nicht wahr?«
Er starrte mir in die Augen. »Ja, aber wie soll ich das bewerkstelligen? Ich würde die Männer wiedererkennen… mehr kann ich nicht sagen.«
»Der Mörder war heute im Haus. Haben Sie einen Verdächtigen
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