0465 - Stop-Signal für einen Mörder
antwortete ich.
»Scheren Sie sich zum…«, wünschte der Mann am Mikrofon.
»Den Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen«, erwiderte ich höflich, »aber ich würde sagen, wir setzen die Unterhaltung in ihrem Salon fort.«
Reardon gehorchte. Die Haustür sprang auf. Ich betrat den Flur, der mit schweren Teppichen ausgelegt war. Reardon war angezogen wie ein Gentleman, der zur Börse gehen will.
Er empfing mich mit einem reservierten Lächeln.
»Ich dachte, Sie seien verreist«, sagte ich.
»Wegen der heruntergelassenen Rollläden?« fragte er.
»Ja, deswegen.«
Aber er blieb den Kommentar schuldig. Offenbar befand sich Reardon in Eile. Er strich unruhig über die Pflaster in seinem Gesicht. Soviel ich erkennen konnte, waren die Pflaster noch nicht erneuert worden.
»Was wünschen Sie?« fragte er ungeduldig.
»Sie waren so liebenswürdig, unserem Zeichner genaue Schilderungen von den Personen zu geben, die bei Ihnen einbrachen«, begann ich, »eine Person davon ist dem FBI bekannt.«
Ich zog die Zeichnung von Loring aus der Tasche, die unser Grafiker nach dem Original angefertigt hatte. Ich hielt sie Reardon unter die Nase. Er sah flüchtig auf den weißen Pappkarton und nickte.
»Sie wollen also behaupten, daß dieser junge Mann gestern abend bei Ihnen eingedrungen ist. Sie nannten auch die Uhrzeit. Es war kurz vor Mitternacht. Bleiben Sie bei Ihrer Behauptung?«
»Ja, zum Teufel, was wollen Sie von mir, Mr. Cotton?« krächzte Reardon los. »Nie mehr in meinem ganzen Leben rufe ich das FBI an. Lieber zahle ich meinen Obolus an irgendein Racket, auch wenn es sich um Gangster handelt. Man hat ja doch nur Scherereien mit den FBI-Agenten.«
»Entschuldigen Sie, Mr. Reardon«, sagte ich mit ausgesuchter Höflichkeit, »das liegt nicht an uns. Ich darf Sie bitten, sich noch einmal genau auf den dritten Mann zu besinnen. War es dieser Gentleman hier?«
Rieder warf er einen Blick auf die Zeichnung. Dann zuckte er die Schultern.
»Man kann sich ikich täuschen. Es gibt zu viele Gesichter, die sich ähnlich sehen«, machte Reardon einen Rückzieher.
Ich wechselte das Thema und sagte: »Wir haben inzwischen die Liste der gestohlenen Gemälde bekommen, Mr. Reardon. Halten Sie es für möglich, daß die Gangster eines der kostbaren Bilder loswerden?«
»Ich jedenfalls würde nicht die Dummheit begehen, mir solch ein Stück aufschwätzen zu lassen«, knurrte Reardon, »haben Sie noch mehr so kluge Fragen, Mr. Cotton?«
»Yes, Mr. Reardon. Warum haben Sie es plötzlich so eilig. In Ihrem Geschäft wurde mir noch vor wenigen Minuten erklärt, Sie kämen heute nicht mehr.«
»Gott sei Dank leben wir in Amerika, wo die persönliche Freiheit über alles geschätzt wird und man auch dem FBI keine Auskunft über persönliche Angelegenheiten zu geben braucht«, fauchte Mr. Reardon. Ich bedankte mich mit einem Lächeln und verließ das Haus.
Auf dem Weg zu meinem Jaguar dachte ich über die Vorteile der persönlichen Freiheit nach.
***
Gegen sechs Uhr erreichte ich das Office. Phil hockte wieder hinter seinem Schreibtisch.
Mit wenigen Worten erstattete ich ihm Bericht.
»Du hast doch das Haus von Reardon bewachen lassen«, sagte ich, »und das Ergebnis?«
»Gleich null. Nur Reardon hat zweimal am Tag seine Villa verlassen und ist jedesmal nach drei oder vier Stunden zurückgekehrt. Da sich nichts ereignete, habe ich heute mittag den Posten zurückgezogen«, erklärte Phil.
»Reardon hat die Rolläden heruntergelassen. Ich habe das Gefühl, er bereitet eine größere Reise vor.«
»Jeder Mensch kann tun und lassen, was ihm gefällt«, erwiderte Phil. Ich gab ihm recht. Mr. Reardon war ein unzugänglicher Individualist.
***
Pit Allert war damit beschäftigt, den Staub von Bilderrahmen zu wedeln. Er überhörte das dreimalige Anschlägen seiner Türklingel. Die Angeln quietschten. Pit Allert fuhr erschrocken herum. Er starrte in das unrasierte Gesicht eines Mannes zwischen dreißig und vierzig.
»Sie wünschen?« sagte Allert. Der Satz kam ihm über die Lippen, ohne daß er es merkte.
»Ich will Ihnen was anbieten«, sagte der Stopplige. Er zog seine Jacke zurecht. Allert warf einen Blick auf die große Mappe, die der Fremde unter dem Arm trug.
»Sind Sie Maler?« fragte Allert.
»No, Sir«, entgegnete der andere, »es handelt sich um einen Vermeer, einen echten Vermeer, verstehen Sie?«
Pit Allert wohnte am Rande der City. Er handelte mit Gemälden, die sich der Durchschnittsbürger über die
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