0465 - Stop-Signal für einen Mörder
stützte sich auf seine Arme und versuchte im Ton, der zu Kolonialzeiten Eindruck gemacht hatte, zu brüllen:
»Was erlauben Sie sich eigentlich, Mr. Cotton?«
Ungerührt antwortete ich: »Ich erlaube mir, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie einen ganzen Waggon Gemälde losgeschickt haben, ohne zu wissen, daß in Indianapolis wohl eine Ausstellung geplant war, aber erst ein halbes Jahr später. Der Direktor der dortigen Galerie — ich sprach vor zwanzig Minuten mit ihm — hat erst durch die Zeitung erfahren, daß Gemälde an ihn unterwegs sind, Mr. Hallinger. Brauchen Sie noch mehr Beweise, daß Sie es den Gangstern recht leicht gemacht haben?«
»Mr. Cotton, ich betrachte diese Unterhaltung als beendet«, schrie er mit kreischender Stimme. Er sank in seinen Ledersessel zurück.
»Natürlich können Sie als Hausherr bestimmen, wann eine Unterhaltung beendet ist«, pflichtete ich ihm in aller Ruhe bei. »Das schließt aber nicht aus, daß ich eventuell Ihre Aussagen noch brauche. Vielleicht sind Sie dann so freundlich, uns im FBI-Distriktgebäude in der 69. Straße Ost zu besuchen. Dann muß ich Sie noch bitten, mir die Akten für einige Zeit zu überlassen.«
Ich nahm die Akten und ging zur Tür. Als ich im Vorzimmer stand, hörte ich Mr. Hallinger schreien. Das nette Mädchen war blaß geworden. Ich lächelte ihr zu.
»Machen Sie ihm eine Tasse Pfefferminztee«, sagte ich.
Sie sah mich leicht fassungslos an.
***
Ich war noch nicht ganz in unserem Office, als Mr. High anläutete. Er bat Phil und mich in sein Zimmer. Ich sagte zu, obgleich ein knurrender Magen jede Unterhaltung stören kann. Phil trieb ich im Archiv auf. Er war das Puzzlespiel noch nicht leid, von jedem Mr. PEA…, der bei uns registriert war, die Unterlagen zu überprüfen. Phil war auf die Idee gekommen, die Zeichnungen von Mr. Reardon mit allen Leuten zu vergleichen, die mit PEA begannen.
»Mr. High hat Sehnsucht nach uns, old Boy«, knurrte ich und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
Mein Freund rieb sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Im Archiv ist immer eine sehr trockene Luft.
Der Chef bot uns einen Sessel an. Wir ließen uns in die Polster fallen. Aus seinem Schreibtisch zauberte er gut gekühlten Whisky ans Tageslicht.
»Mr. Hallinger hat einen halben Ohnmachtsanfall gehabt«, begann der Chef kurz.
»Sie meinen einen Tobsuchtsanfall«, verbesserte ich ihn.
»Ich weiß es nicht. Sie sind dabei gewesen, Jerry. Sie müssen es besser wissen.«
»Allerdings, Mr. High.«
Der Chef forderte mich auf zu berichten.
Ich gab ihm noch einmal eine Zusammenfassung sämtlicher Facts und schloß mit den Worten: »Ich glaube, die Bande hat uns alle hereingelegt, sogar das FBI.«
Mr. High räusperte sich. Er holte Luft und sagte: »Ich habe euch deswegen kommen lassen, weil ich einige Dinge klarstellen möchte, die nun einmal unumgänglich sind. Als erstes: die gestohlenen Bilder sind im Auftrag des FBI angefertigte Fälschungen!«
Wir starrten Mr. High an und waren einen Augenblick völlig sprachlos.
»Glaubt jetzt nicht«, fuhr der Chef fort, »ich hätte euch nur, um einen Trick gegen die Verbrecher zu starten, hinter das Licht führen wollen. Die Fälschungen sind so erstklassig gelungen, daß sie zumindest auch einen erheblichen Wert darstellen, und zweitens bleibt der Diebstahl als kriminelle Tat natürlich bestehen.«
»Aber warum dann das ganze Theater?« fragte ich.
»Aus zwei Gründen«, fuhr Mr. High ruhig fort. »Zunächst einmal wissen wir ja, daß es eine Bande gibt, die sich auf Bilderdiebstähle spezialisiert hat. Dieser Bande mußte das Handwerk geiegt werden. Ich durfte, wenn ich den Gangstern eine Falle stellen wollte, natürlich nicht die unersätzlichen Originale in Gefahr bringen, sondern mußte mir Kopien besorgen. Gute Kopien sind sehr teuer. Den Gangstern sind also tatsächlich Werte in die Hände gefallen, die zwar ersetzbar, aber doch nicht zu verachten sind.«
»Und wie sollen wir jetzt weiter Vorgehen?« fragte Phil.
»Ihr müßt genauso Weiterarbeiten, als handle es sich bei diesen Kopien um die Original-Gemälde. Sämtliche Delikte, die die Gangster begangen haben, bleiben ja bestehen. Die Kopien, die ich anfertigen ließ, waren eine Rückversicherung. Es kann schließlich leicht passieren, daß sie vernichtet werden. Aber so weit darf es nicht kommen.«
»Wie stellen Sie sich das denn vor, Mr. High?« fragte ich. »Wo sollen wir die Kopien auf treiben?«
»Wir haben doch eine Menge
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