0466 - Die Königin von Saba
»Ich kann es noch immer nicht fassen und komme mir vor, als würde ich träumen.«
»Der Fehler liegt bei mir.«
»Wieso?«
»Ich hätte es nicht zulassen sollen, daß dieses gefährliche Kreuz an Bord gelangt.«
»Konnten Sie das denn vorher wissen?«
»Eigentlich hätte ich es wissen müssen. In dem Kreuz steckt der Geist einer mächtigen Dämonin oder eines mächtigen Wesens, Layana mit Namen. Sie ist eine Feindin der Königin von Saba gewesen, das steht fest.«
»Wenn Sie das so sagen, John, stellten Sie die Existenz der Königin nicht in Zweifel!«
»So ist es, fast jedenfalls.« Ich ging zum Lichtschalter. »Die allerletzten Zweifel hoffe ich noch aus der Welt schaffen zu können.«
»Was haben Sie vor?«
Ich verzog die Lippen. »Ein Experiment. Und ich meine, daß es mir gelingen wird, Layana zu locken. Was immer auch geschieht, Jenna, bleiben Sie ruhig. Wird es zu gefährlich, dann fliehen Sie aus dem Lagerraum. Einverstanden?«
»Ja, natürlich.«
Ich löschte das Licht. Es wurde völlig finster, so daß sich Jenna erschrak. Ich hörte, wie sie sich in meine Richtung bewegte.
»Bleiben Sie an der Tür, Jenna«, zischte ich ihr zu und holte gleichzeitig meine kleine Leuchte hervor.
Als der Strahl die Dunkelheit zerschnitt und ich die Hand drehte, huschte das Licht auch über Jennas Gesicht. Es sah bleich aus.
Ich richtete den Strahl auf das liegende Kreuz. Durch das künstliche Licht hatte es einen anderen Glanz bekommen. Das Gold schimmerte nicht mehr so weich, es wirkte kälter.
Ich ging auf das Henkelkreuz zu und holte gleichzeitig meines hervor. Bisher hatte ich meinen Talisman noch nicht im Beisein des anderen Kreuzes aktiviert. Das sollte sich in den nächsten Sekunden ändern.
Vor dem Kreuz ging ich in die Knie. Aus dieser Sichtperspektive kam es mir noch größer vor.
Ich nahm meinen Talisman und legte ihn auf den unteren Balken des Henkelkreuzes. Was bald geschehen würde, konnte sehr wichtig für uns sein. Dementsprechend gespannt fühlte ich mich.
Jenna Jensen sagte nichts. Ich hörte nur ihren schnellen und gleichzeitig gepreßt klingenden Atem.
Ich schaute über mein Kreuz hinweg und sah das andere vor mir liegen. Flach auf dem Boden.
Wenn man es so ansah, war es kaum zu fassen, daß es sich aus eigener Kraft aufrichten konnte.
Ich dachte über die Symbolik des Henkelkreuzes nach. Es stammte aus der alten ägyptischen Mystik und war meist zwischen die Augen des toten Pharao gezeichnet. Es sollte so das Dritte Auge darstellen und gleichzeitig eine andere Symbolik.
Es wies in seiner Verbindung der Vertikalen und des Kreises auf die Vereinigung des Männlichen und des Weiblichen hin. Es war aber auch verwandt mit der Schlange, die ebenfalls bei den alten Kulturen eine wichtige Rolle spielte, denn über sie wurde auch schon im ägyptischen Totenbuch geschrieben.
Auch auf meinem Kreuz hatte Hesekiel das Henkelkreuz hinterlassen. Jetzt würde es sich zeigen, ob es dafür einen Grund gab.
Ich wandte mich noch einmal an Jenna. »Was immer auch geschieht, halten Sie sich zurück.«
»Ja, natürlich. Was haben Sie denn vor?«
»Ich werde eine Beschwörungsformel sprechen und mein Kreuz damit aktivieren.«
»Wie das?«
»Nun, Sie werden es gleich sehen.« Es waren die letzten Worte vor der großen Konzentration, und ich hoffte, daß ich jetzt keinen Fehler mehr machte.
Noch einmal verglich ich beide Kreuze und sprach dann die Formel, die man mich gelehrt hatte.
»Terra pestem teneto - Salus hic maneto!«
Und beide Kreuze reagierten!
***
Meines, das geweihte und silberne erstrahlte plötzlich in einer glänzenden Lichtfülle, die sich wie eine gewaltige Glocke innerhalb des Lagerraumes ausbreitete.
Das Strahlen war so stark, daß es uns blendete und sich auch über das Henkelkreuz verteilte.
Als ich den Kopf nach rechts drehte, sah ich Jenna Jensen wie einen Schatten an der Wand stehen, die Arme halb erhoben, die Hände gegen die Wangen gepreßt und auf das große Kreuz starrend, durch das plötzlich ein Zittern lief, als wären Kräfte in seinem Innern geweckt worden, die bisher nur geschlummert hatten.
Das Kreuz zitterte nicht nur, es bewegte sich auch. Es rutschte ein kleines Stück über den Boden und mir dabei entgegen. Dann aber, als hätte jemand seine Hände unter das Oval gedrückt, richtete es sich plötzlich vor meinen Augen auf.
Ich kniete noch immer, packte mein Kreuz, dessen Strahlen nachgelassen hatte, und hängte es mir um den Hals.
Dann ging ich einige
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