0467 - Der Kristall der Macht
sie zurechtkam und sich absicherte. Sie hatte nur einen Vorteil: Gegen sie würde Astaroth nicht intrigieren. Sie war ihm zumindest nicht im Wege.
Er selbst hatte in dieser Hinsicht keine Ambitionen. Er war uralt; er hatte die Höhen und Tiefen der Macht kennengelernt. Es reizte ihn nicht, sich auf einen solchen Schleudersitz zu begeben, wie es der Fürstenthron in der letzten Zeit geworden war. Asmodis war jahrtausendelang Fürst der Finsternis gewesen, dann war jener Hybride Damon aus der Straße der Götter gekommen, dann wieder Asmodis, Belial, der schon nach ein paar Tagen von Zamorra erschlagen worden war, weil er seine eigene Stärke maßlos überschätzt hatte. Dann Leonardo deMontagne, Julian Peters und nun Stygia. Nein, seit das Aquarius-Äon begonnen hatte, war alles im Umbruch; die Machtverhältnisse änderten sich schneller, als mancher Hilfsgeist den Namen seines neuen Herrn erlernen konnte. Da hielt sich Astaroth lieber im Hintergrund zurück - und überlebte.
Für Stygia konnte das jetzt nur gut sein, wenngleich es noch besser gewesen wäre, Astaroth weiterhin an ihrer Seite zu haben wie seinerzeit bei ihren Intrigen gegen Julian und teilweise noch gegen Leonardo deMontagne.
Aber es gab sehr viele alte und mächtige Dämonen, die gegen sie waren. Sie hielten Stygia für nicht stark genug, um sich behaupten zu können, was sie mit ihren Aktionen gegen sie unter Beweis zu stellen versuchten. Andere wiederum wollten es nicht akzeptieren, von einer Frau beherrscht zu werden. Über Ewigkeiten war der Fürstenthron stets von einem männlichen Dämon besetzt gewesen; entsprechend starr waren die Strukturen und Traditionen innerhalb der Schwarzen Familie - Veränderungen, gerade solch elementarer Art, lehnte man grundsätzlich ab…
Einen Trumpf besaß Stygia, von denen die anderen nichts ahnten. Das war ihre Kontrolle über Ted Ewigk. Einst hatte sie ihm einen ihrer Fingernägel gegeben, als Pfand, wie sie ihm versichert hatte. Er könne sie darüber ähnlich einem Voodoo-Zauber kontrollieren, hatte sie ihm vorgegaukelt. In Wirklichkeit war es genau anders herum. Sie vermochte ihn zu beeinflussen und hatte ihre Macht über ihn in der letzten Zeit immer weiter ausgebaut. Er war längst ihr Diener, ohne es zu ahnen. Schon einige Male hatte sie ihn zu Aktionen gezwungen, die er vielleicht aus eigenem Antrieb überhaupt nicht durchgeführt hätte.
Es hatte seine Zeit gebraucht, bis sie ihn soweit hatte. Sie hatte ihren Einfluß nur langsam aufbauen können, denn die Verbindung war schwach. So schwach, daß nicht einmal Zamorra mit seinem Amulett sie spüren konnte, wenn er unmittelbar mit Ted Ewigk zu tun hatte. So schwach, daß sie auch durch die weißmagischen Barrieren um Château Montagne oder Palazzo Eternale drangen, was normalerweise keinem Dämon und keiner schwarzmagischen Kraft möglich war.
Aber im Laufe der Zeit war so etwas ähnliches wie eine magische Aufladung erfolgt, ohne daß jemand es bemerkte. Mittlerweile war Ted so empfänglich für die schwachen Signale geworden, daß Stygia ihn mit fast leichter Hand manipulieren konnte.
Das war ihr Joker. Nur einmal bisher war es einem Dämon gelungen, jemanden aus der gefürchteten Zamorra-Crew unter seinen Einfluß zu bringen. Das Opfer war Bill Fleming gewesen, Zamorras »dienstältester« Kampfgefährte. Aber es war zu offensichtlich gewesen; Fleming hatte sich selbst isoliert. Mittlerweile war er tot, und im Sterben hatte er es noch geschafft, auf den Weg des Lichts zurückzukehren. Bei Ted Ewigk aber war es anders. Niemand hatte bisher gemerkt, daß Ewigk nur noch ein Werkzeug war, am wenigsten Ted Ewigk selbst.
Stygia konnte mit ihrer Arbeit zufrieden sein.
Dennoch mußte sie vorsichtig sein. Man munkelte von einer Verschwörung, und neuerdings kursierte sogar das Gerücht, Leonardo deMontagne selbst sei zu seinem dritten Leben wiedergekehrt. Stygia wußte, daß das nicht sein konnte. In seinem ersten Leben war er ein Mensch gewesen. Kreuzritter und Schwarzmagier, Bestie in Menschengestalt. Nach seinem Tod hatte selbst das Höllenfeuer seine Seele nicht verbrennen können. Asmodis schließlich hatte ihm einen neuen Körper und damit ein zweites Leben gewährt und ihn auf die Erde zurückgesandt - mit dem Hintergedanken, danach in der Hölle endlich Ruhe zu haben. Doch das hatte sich für ihn als Fehler erwiesen; Leonardo war zum Dämon geworden und in die Hölle zurückgekehrt.
Doch ein drittes Leben gab es für ihn nicht. Sein Ich war
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