047 - Die letzten Tage von Riverside
Ewigkeit…
Wieder Mündungsfeuer, wieder krachte ein Schuss. Simon barg den Kopf in den Armen.
Als er aufsah, lag Rudy vollkommen reglos.
Ein dunkler Fleck breitete sich in seinem Gesicht aus.
Simon sprang auf. Er keuchte und rang um Atem. Pete wankte ihm entgegen. Er schluchzte. Wortlos wandte Simon sich ab.
Drei-, vierhundert Meter entfernt bogen Rotlichtgefunkel und Scheinwerferpaare in die Lincoln Avenue ein. Simon lief zurück auf das-Ashton-Grandstück.
Colin kniete neben dem Angeschossenen im Gras. Er brüllte ihn an, schüttelte ihn. Auf der Terrasse hockten Menschen, hielten sich fest, weinten. Menschen auch auf den Stufen der Vortreppe. Zwei schleppten einen Verwundeten aus dem Haus. Überall Chaos, überall Geschrei.
Simon lief zu Colin und dem angeschossenen Motorradfahrer. Es war der Blonde in der roten Lederkleidung.
»Wohin bringen sie die Mädchen?!« Colin brüllte und heulte zugleich. »Wohin bringen die Scheißkerle die Mädchen!?« Er schüttelte den Blonden, sein Kopf schlug im Gras auf.
»Wohin?« Der Angeschossene stöhnte etwas, das Simon nicht genau verstehen konnte.
Jemand flog ihm in die Arme. Eve. Sie weinte und zitterte. »Bist du okay, Darling?« krächzte Simon. Ganz nah plärrten die Sirenen jetzt.
Eve nickte. »Gina ist tot… sie haben sie einfach erschossen… Sie hat sich an Kathleen geklammert… es ist so furchtbar, so furchtbar…!«
Bremsen und Reifen kreischten, Rotlichtgeflacker färbte die Hauswand. Simon drehte sich um. Zwei Ambulanzwagen, drei Patrolcars. Autotüren wurden aufgestoßen.
Plötzlich ein Schuss hinter Simon - sie zuckten zusammen, fuhren herum. Der Blonde lag jetzt still im Gras, die Augen aufgerissen und ohne Leben. Colin steckte sich die Waffe unter das Hemd in den Hosenbund. Rotlicht spiegelte sich in seinem Gesicht. Es glänzte von Tränen und Schweiß. In seinen Augen flackerten Hass und Verzweiflung…
***
San Bernardino Mountains, November 2517
Neun Stunden später. Wieder lag eine dieser Albtraum-Nächte hinter Matt - hässliche Bilder breiteten sich in seinem Schädel aus, Gedanken und Empfindungen wie Peitschenhiebe jagten sich in wildem Reigen. Er fand keinen Schlaf, nicht einmal Entspannung. Und dann die Nähe der alten Heimat…
Außerdem war ihm übel. Vielleicht vom Aperitif? Oder vom Geierfleisch?
Niemand hatte sie nach dem Festschmaus in einen der Wagen eingeladen. Womöglich aus purem Taktgefühl. Oder fühlten sich die Echsenleute in der Nähe von Menschen genauso unwohl, wie es auch umgekehrt der Fall war?
Man hatte ihnen einen Unterschlupf aufgestellt, eine nach allen vier Seiten offene Plane, ausgespannt über vier in den Boden gerammte Baumstämmchen.
Die ganze Nacht hörte Matt neben sich Aruulas Atemzüge, gleichmäßig und tief. Und aus dem Ring der Wagenburg Grunzen, heisere Knacklaute und Geschnarche. Manchmal schnaubte einer der Biisons, die man vor Einbruch der Dunkelheit in den Wagenring getrieben hatte.
Im Zelt des Patriarchen tobten regelrechte Orgien. Ständig gab es Gescharre, Poltern, Keuchen und Grunzen. Die Geierleber und das Geierherz scheinen tadellos zu wirken, dachte Matt.
Und mitten in der Nacht fand ein Wachwechsel vor dem Wagen mit der geheimnisvollen Ladung statt.
Kaum färbte sich der Himmel grau, wurden die Planen der Wagen, zurückgeschlagen. Schritte stapften durch die Wagenburg; die Drakullen führten die Biisons zu den Wagen- Deichseln.
Auch Matt stand auf; er fühlte sich wie gerädert. Die Zsarra-Zchiefbiengs arbeiteten schnell und grunzten munter miteinander. Sie schienen mit wenig Schlaf auszukommen.
Eine Stunde später erschienen Druwenz und Penzer vor dem streng bewachten Gefährt innerhalb der Wagenburg. Papz Zsatar und das Drakullenmädchen, das ihn gestern mit Fisch gefüttert hatte, saßen auf dem Kutschbock. Der Einäugige und die Jägerin meldeten die Wagenkolonne abmarschbereit.
Der Echsenpatriarch bedeutete Matt, sich zu ihm zu setzen, dafür räumte die weibliche Drakulle ihren Platz und zog sich hinter die Plane zurück. Matt kletterte neben Papz Zsatar auf den Bock. Aruula stieg in Zchonnis Wagen, und los ging es.
Der Treck rollte anderthalb Meilen flussaufwärts, entfernte sich dann vom Wasserlauf und holperte westwärts durch zunächst unwegsames Gelände. Bald senkte sich die Gebirgskette ein wenig, und die Wagen schaukelten durch eine Schneise, auf der zwar eine Menge Gestrüpp und Gebüsch, aber nur wenige Bäume wucherten. Die herbstlichen Hänge links und
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