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047 - Die letzten Tage von Riverside

047 - Die letzten Tage von Riverside

Titel: 047 - Die letzten Tage von Riverside Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Gewehr zwischen die Knie geklemmt, die Stirn gegen den Lauf gelehnt. Ein Polizeiarzt stellte eben seine Tasche neben Petes totem Enkel ab.
    Simon riss Pete das Gewehr aus den Händen und hängte es sich selbst über die Schulter. Zwei Griffe und er hatte Rudys Leiche von der Maschine gezerrt.
    »Was soll das, Mister?!«, fuhr der Arzt ihn an.
    Simon stemmte die Maschine mit aller Kraft hoch, drehte den Zündschlüssel und trat sie an. Eve tauchte neben ihm auf. »Simon…! Pass auf dich auf, bitte!«
    Er schwang sich in den Sattel und fuhr los.
    ***
    San Bernardino Mountains, November 2517
    Jemand hatte sie an zwei uralte Roteichen am Wegrand gefesselt: sieben Frauen, halb nackt. Sie zitterten und weinten leise in sich hinein. Matt ging von einer zur anderen. Ihre Haut war weiß und ihr verfilztes Haar blond, oder dunkelblond.
    »Was ist mit euch? Wer hat euch gefesselt?« Sie waren blutjung, halbe Kinder. Er band sie los. Die Drakullen gaben ihnen Lederumhänge, mit denen sie ihre Blöße verhüllen konnten.
    Das Gelände war sanft abgefallen, die Berge zurückgeblieben. Kaum noch Douglasien, nur wenige Eichen, überall das fahlgelbe Laub der allgegenwärtigen Gingkos und der Gestank ihres Samens. Immer häufiger tauchten in Kletterpflanzen und Gestrüpp eingesponnene Ruinen und von Pflanzenteppichen bedeckte Schutthügel auf.
    Matt hatte es gerade bedauert, nicht über den Mount San Antonio oder den Mount Wilson gekommen zu sein - er hatte sich immer vorgestellt, von einem Berg aus auf die alte Heimat hinunter zu blicken, wenn er sie jemals wieder erreichen sollte -, als die Wagenkolonne plötzlich anhielt. Man hörte aufgeregtes Grunzen und Schnalzen - und das Weinen der Mädchen.
    »Wer seid ihr?« Aruula umarmte jetzt eines von ihnen und hielt es fest. Ständig schaute das bedauernswerte Mädchen zu den Echsen hin und zitterte am ganzen Körper dabei. »Was ist euch geschehen?«
    Es war schwer, etwas aus ihnen herauszubekommen. Immer wieder starrten sie die Echsenleute an und verfielen in Weinkrämpfe.
    »Sie sollen uns töten…«, stammelte eine von ihnen schließlich in verwaschenem Englisch.
    »Sie sollen uns bitte töten, bevor sie es tun…«
    »Bevor sie was tun?«, fragte Aruula.
    »Bevor sie uns aufschlitzen und verstümmeln«, jammerte das Mädchen. Es war höchstens sechzehn Jahre alt. Sie sah Aruula an, als sähe sie die Barbarin jetzt erst bewusst.
    »Warum lebt ihr noch?« Der Blick hinter dem Tränenschleier hatte etwas Ungläubiges.
    »Warum töten sie euch nicht?«
    Nach und nach kam die Wahrheit ans Licht: Die Siedlung ihres Stammes - sie nannten sich Taungards - war in der Nacht zuvor von Unbekannten in Kapuzenmänteln angegriffen worden. Mehrere Mitglieder ihres Stammes wurden dabei auf bestialische Weise ermordet.
    Späher hatten daraufhin den Wagentreck der Drakullen ausgekundschaftet. Aus düsteren Legenden kannten sie die Echsenwesen. Und fürchteten sie. Die sieben Mädchen -Jungfrauen, wenn Matt richtig verstanden hatte - waren eine Art Opfergabe der Taungards, ein Geschenk an die gefürchteten Echsen, um sie versöhnlich zu stimmen und so das Gros des Stammes zu retten.
    Matt fühlte sich an archaische Sagen erinnert und gleichzeitig beschlich ihn Unbehagen.
    Sollte ein Stoßtrupp der Echsen den Menschenstamm überfallen haben? Vielleicht die Geier-Jäger? Aber nein - niemand hatte in der vergangenen Nacht die Wagenburg verlassen, das hätte er gemerkt. Außerdem traute er es nicht einmal den schnellen Drakullen zu, in nur neun Stunden zweimal die Bergkette zu überqueren.
    »Sie sind friedlich«, erklärte er den Mädchen.
    »Wir sind ihre Gäste. Sie wollen weiter nichts als ungehindert ans Meer gelangen.«
    Es wurde früher Abend, bis sie die Jungfrauen überzeugt hatten. Dann endlich stiegen die Mädchen auf einen Wagen und lotsten den Treck zur Siedlung ihres Stammes.
    Die Dämmerung legte sich auf den Wald. Er war nicht besonders dicht, aber die hohen Bäume ließen keine Weitsicht zu. Manchmal glaubte Matt den Pazifik zu riechen, aber das konnte nur Einbildung sein - der Fuß des Gebirges lag über fünfzig Meilen von der Küste entfernt. Jedenfalls war das früher so gewesen, vor fünfhundertfünf Jahren. Zu meiner Zeit, dachte Matt.
    Ständig blickte er sich um, suchte Zeichen und Spuren vertrauter Orte. Und sah doch nur den Saal des Gingkowaldes mit seinen Bodenspalten, eingesponnenen Trümmern und überwucherten Schutthalden. Hier musste einst dichtes Siedlungsgebiet gelegen

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