0470 - Die blutrote Nacht
warten?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Den krallen wir uns dann am Tage. Dann wissen wir auch schon, ob Nicole ihn vielleicht mit der Strahlwaffe doch erledigt hat, oder ob er vorher bereits ein weiteres Opfer geholt hat. Der Himmel bewahre…«
»Willst du nicht wenigstens ein paar Bannzeichen ringsum anbringen?« fragte Nicole.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Die könnte er zu früh bemerken. Aber allein der Verlust seiner Heimaterde wird ihn enorm schwächen, ganz gleich, ob er in dieser Nacht Blut trinken konnte oder nicht.« Wenn es einen Auslöse-Mechanismus wie eben den Sargdeckel gegeben hätte, hätte Zamorra es vielleicht versucht. So aber hatte es keinen Sinn. Der Vampir würde die Falle zu früh erkennen. Und das war nicht im Sinne des Erfinders…
Sie stiegen wieder nach oben. Zamorra schloß den Falltür-Deckel wieder, den Teri entdeckt hatte.
In der Tat. Das Versteck des Vampirs war hervorragend. Und selbst wenn er nicht unten schlief, konnte er sich jederzeit unter den anderen Fledermäusen verstecken.
Aber - ab jetzt nicht mehr lange…
***
Nicole Duval spürte plötzlich den unwiderstehlichen Drang, sich wieder ins Zimmer gegenüber zu begeben. Etwas zog sie dorthin wie ein Magnet. Sie erhob sich, strich sich durchs Haar. Kurz ihr Zögern, dann aber trat sie schon auf den Korridor hinaus.
Hinter ihr war Fenrir. Mit seiner feuchten Nase stupste er in ihre linke Kniekehle. Warte mal , nahm sie seinen telepathischen Ruf wahr. Was hast du jetzt vor?
Sie stieß ihn zurück. »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, sagte sie böse und versuchte die Zimmertür zwischen ihm und sich zu schließen. Nur klappte das nicht, weil der Wolf schon wieder viel kräftiger war, als er bislang gezeigt hatte. Er kam mit auf den Gang.
Im gleichen Moment verließ ein älteres Touristenpaar den Lift und trat ebenfalls in den Korridor. Mylord dachte sich bei Fenrirs Anblick herzlich wenig und hielt ihn allenfalls für eine Abart des Deutschen Schäferhunds, aber Mylady erfaßte die Lage gleich auf den ersten Blick richtig falsch und kreischte los: »Ein Raubtier, Arthur! Ein wilder Wolf! Ich falle in Ohnmacht!«
Aber dann hielt sie ihr Versprechen doch nicht, weil ihr Arthur keine Anstalten machte, sie vorsorglich festzuhalten, und so richtig schön hart auf den Boden prallen wollte sie doch nicht. Also beschränkte sie sich weiterhin darauf, Alarmsirene zu spielen.
Spätestens in diesem Moment begriff Fenrir, daß mit Nicole etwas nicht stimmte.
Normalerweise hätte sie ihn jetzt in gespieltem Ernst angefaucht und ihm sinngemäß vorgehalten: »Da siehst du reißende Bestie, was du wieder mal angerichtet hast.«
Aber genau diese erwartete Reaktion blieb aus! Statt dessen ignorierte Nicole sowohl Fenrir als auch die zweibeinige Alarmsirene und deren hilflos-verzweifelt daneben stehenden ehelichen Märtyrer, sondern betrat einfach das gegenüberliegende, einstmals versiegelte Zimmer.
Mit einem Satz war Fenrir hinterher.
Bloß schaffte er es nicht ganz. Nicole war um eine Zehntelsekunde schneller und warf die Tür hinter sich betont schwungvoll und laut krachend ins Schloß. Nicht ganz so laut krachte Fenrirs Wolfsnase gegen das Holz. Benommen sank der Wolf zusammen und kämpfte verzweifelt gegen die Bewußtlosigkeit und den Schmerz an.
Als er endlich wieder auf die Beine kam, stürmten von allen Seiten Männer auf ihn zu, die von der zweibeinigen Sirene alarmiert worden waren. Zwei von ihnen hielten Schußwaffen in den Händen, und sie waren bereit, Fenrir zu erschießen, sobald der Wolf eine verdächtige Bewegung machte.
Immerhin hatten Raubtiere in einem Hotel nichts zu suchen. Und Wölfe schon gar nicht. Die gehörten in den Zoo oder als Trophäe über den Kamin…
Wie auch immer - Fenrir hatte keine Chance, Nicole zu helfen. Zwischen ihnen befand sich eine Tür, die er unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht öffnen konnte.
Und diese Bedingungen verschlechterten sich zusehends. Einer der beiden Pistolenmänner sagte in lässigem Heldentenor: »Okay, knallen wir die Bestie doch einfach ab.«
Beidhändig zielte er auf den Wolf und machte den Zeigefinger um den Abzug krumm.
***
Der Vampir sprang Nicole an.
Sie fühlte sich seltsam benommen und in ihren Reaktionen gehemmt. Da war etwas seltsam Vertrautes… und doch war es feindlich gesinnt. Widerstreitende Gefühle tobten in ihr. Etwas warf sie zu Boden, kauerte über ihr. Sie spürte einen seltsamen Schmerz, wie sie ihn noch nie erlebt
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