0471 - Im Bann der Hexe
entfuhr es Susy unwillkürlich. Ihre Hand, mit der sie rasch die Lippen bedeckte, konnte das entflohene Wort aber nicht mehr zurückhalten. Erschrocken sah sie den seltsamen Mann an.
Doch er schmunzelte nur. »Ihr tragt Euer Herz auf der Zunge«, sagte er. »Ihr gefällt mir. Kaum zu glauben, daß jene aufständischen und lästigen Geusen zu Euren Vorfahren gehörten…«
Susy hatte dem Geschichtsunterricht in der Schule nie sonderlich viel abgewinnen können. »Bitte, mijnheer ? Was meinen Sie damit?«
Er winkte ab. »Erspart mir bitte die Antwort. Wie fühlt Ihr Euch jetzt?«
»Nicht gut«, gestand sie. »Ich bekomme seltsame Schwindelanfälle. Ich glaube, das Gift wirkt längst. Spüren Sie denn noch nichts?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich wünschte, ich könnte Euch helfen«, sagte er leise. »Aber vielleicht schafft es der Schwarze ja doch. Bisweilen bringt er recht erstaunliche Kunststückchen zustande. Doch ich will in Euch nicht zu große Hoffnung erwecken; meist mißrät's ihm Nun, wenigstens kann jene mißliche Kreatur sich nicht mehr an unserem Sterben weiden.«
Susy nickte. Sie fühlte sich schläfrig. Wenigstens tut es nicht weh , dachte sie. Trotzdem konnte und wollte sie sich nicht damit abfinden, daß sie jetzt schon sterben sollte. Ihr Leben hatte doch erst begonnen. Sie mußte sich irgendwie ablenken, oder sie verlor noch vor ihrem Tod ihren Verstand. »Sie sind ein seltsamer Mann«, sagte sie. »Sie haben einen spanischen Namen, aber Sie sprechen französisch. Wie kommt das?«
Er machte eine verblüffte Kopfbewegung. »Was sollte ich sonst sprechen?«
»Spanisch, denke ich.«
»Das ist etwas für die Bauern«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Jeder, der auch nur einigermaßen gebildet ist, spricht doch französisch! Sogar die Russen haben es sich erfreulicherweise angewöhnt. Wie soll man sich denn sonst unter zivilisierten Menschen verständlich machen?«
In diesem Moment klopfte jemand an die Tür, und noch ehe Don Cristofero etwas sagen konnte, wurde die Tür geöffnet.
Die »Herrin der Dunkelheit«, wie der familiaris sie genannt hatte, trat ein.
***
Der Gnom begann sofort mit seiner Arbeit. Er durchforschte sein Zimmer, fand aber nichts, was er für seine Zaubereien benutzen konnte. So blieb ihm nur die Hoffnung, daß die magischen Zeichen auch wirkten, wenn sie mit anderen Mitteln angefertigt wurden. Ein Messer half ihm, Kreis und Zauberzeichen in den Teppich zu schneiden. Das war nun alles zwar wesentlich grober als gewohnt, aber vielleicht klappte es ja doch. Nun machte der Gnom sich daran, das Gift aus den anderen Substanzen zu lösen. Er murmelte Dutzende von Zaubersprüchen, grübelte, was vielleicht noch angewandt werden konnte, um wenigstens einen Teilerfolg zu erzielen. Daß nebenan Besuch eingetroffen war, merkte er in seiner Konzentration nicht.
Schon sehr bald mußte er feststellen, daß der familiaris ihm weit überlegen gewesen war. Der Gnom konnte den teuflischen Zauber nicht erfassen.
Vielleicht hätte er ihn doch nicht so einfach töten sollen…
Andererseits konnte der familiaris nun keinen weiteren Schaden mehr anrichten. Von daher hielt der Gnom seine Entscheidung für durchaus richtig. Über kurz oder lang hätte der Satansdiener ohnehin unschädlich gemacht werden müssen.
Der Gnom versuchte sich an immer stärkerer Magie. Ohne Erfolg. Statt dessen fühlte er sich immer schwächer. Die Zaubereien entzogen ihm Kraft. Aber er war zäh; er wollte einfach nicht aufgeben. Die beiden vergifteten Menschen durften einfach nicht sterben.
Aber was konnte er tun, sie zu retten? fragte er sich verzweifelt.
***
Sir Anthony schwebte durch die Wand herein, kaum daß die Uhr zwölfmal geschlagen und damit die Geisterstunde eingeleitet hatte. Um den Hals des Gespenstes lag eine geflochtene Hanfschlinge. »Da bin ich, mein Freund«, glaubte Zamorra ihn sagen zu hören. Dabei sprach der Geist nicht wirklich, aber es war auch keine eigentliche Telepathie im bekannten Sinne. »In mir haben die anderen, die dir ebenfalls helfen wollen, ihre Kräfte fokussiert. Bist du bereit?«
Zamorra schluckte. Er mußte sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, daß da ein »echtes« Gespenst vor ihm schwebte.
Normalerweise war es ja seine Aufgabe, Gespenster zu erlösen… und normalerweise waren Gespenster auch erschreckend und lästig. Nur hier war das anders, im Gespenster-Asyl Pembroke Castle!
Hier waren die Geister gern gesehene Gäste und in diesem Fall sogar
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