0471 - Im Bann der Hexe
Mademoiselle?«
»Müde«, erwiderte Susy. »Furchtbar müde.«
Sie schloß die Augen.
Erschrocken sprang Don Cristofero auf und schüttelte sie leicht hin und her. »Nicht einschlafen, Mademoiselle!« warnte er. »Nicht einschlafen, oder der Tod kommt! Bleibt wach! He, aufwachen!«
Sie seufzte und öffnete die Lider wieder.
»Ich will nicht sterben«, hauchte sie. »Tun Sie doch etwas!«
Don Cristofero atmete tief durch. Ihm blieb nur noch die Hoffnung, daß der Gnom es schaffte. Er selbst spürte noch nichts von der Wirkung des Giftes, aber auch bei ihm konnte es nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wenn nicht ein Wunder geschah, waren sie verloren.
Aber er traute dem Gnom nicht zu, dieses Wunder herbeizuführen. Dafür kannte er ihn und seine Fähigkeiten einfach zu gut…
***
Für Professor Zamorra wurde plötzlich alles schwarz. Es war wie Stromausfall - von einem Moment zum anderen verdunkelte sich die Umgebung um ihn herum. Und dann kam wieder Helligkeit, nur war die längst nicht mehr so stark wie in dem beleuchteten Raum in Pembroke-Castle, in dem er sich eben noch befunden hatte. Statt dessen war über ihm Nachthimmel, und um ihn herum Wald. Er stand auf relativ weichem, nachgiebigen Boden, wandte sich um, aber da war es schon zu spät. Ein niedriger, grauer Körper prallte gegen seine Kniekehlen und brachte Zamorra zu Fall. Noch ehe er und Fenrir ihre Gliedmaßen wieder entknäult hatten, tauchte auch Teri Rheken auf.
Dann schloß sich der schwarze, flammenumkränzte Kreis, aus dem sie gekommen waren.
Mit einer Verwünschung sprang Zamorra hoch und warf sich dorthin, wo die schwarze Torscheibe eben noch gewesen war.
Er fand keinen Widerstand und keinen Durchgang mehr.
»Operation gelungen, Patient so gut wie tot«, sagte Teri sarkastisch. »Jetzt dürften wir da sein, wo dein fossiler Verwandter steckt, bloß ist uns der Rückweg ebenso verwehrt wie vermutlich ihm. Wirklich, genial, dein Plan.«
»Ich glaube, ich stehe, im Wald«, murmelte Zamorra verdrossen.
In einem sterbenden oder sogar schon toten Wald , bemerkte Fenrir. Die Bäume ringsum waren ausnahmslos knorrig und blattlos. Ihre Äste ragten wie bizarre Fäuste und drohende Finger in die Höhe und verästelten sich stellenweise zu einem undurchdringlichen Netzwerk.
Leben gab es hier offensichtlich nicht…
***
In einer letzten verzweifelten Anstrengung hatte der Gnom noch einmal versucht, den Gift-Zauber zu erfassen. Er wollte seinen Herrn und das hübsche Mädchen doch nicht sterben lassen!
Schwarze Funken sprühten auf. Der Gnom wurde zur Zimmerdecke emporgezogen. Wie ein Irrwisch raste er im Magie-Fieber kopfüber an der Decke entlang. Ein schwarzes Blitzgewitter tobte. Ein finsterer Kreis öffnete sich, der sofort wieder zusammenbrach. Der Gnom glaubte darin drei bewegliche Wesen gesehen zu haben, aber er konnte es nicht mit Gewißheit sagen. Das Bild war zu schnell wieder erloschen.
Der Gnom stürzte wieder ab, schaffte es gerade noch, seinen Sturz so abzufedern, daß er sich nicht die Gliedmaßen brach. Keuchend und erschöpft lag er auf dem Teppich, schweißüberströmt, und rang nach Atem. Es dauerte lange Minuten, bis er sich wieder erheben konnte.
Taumelnd stand er da und starrte den Stoffetzen und das Glas mit dem Giftwein an.
Beides hatte sich verändert.
Im Glas befand sich Honig. Und der Stoff hatte sich in Form von Schokolade mit dem Teppich innig verbunden.
Des Gnomen Unterbewußtsein hatte ihm einen üblen Streich gespielt. Er hatte mit seinem Zauber, statt das Gift zu analysieren, die Giftträger in Naschwerk verwandelt.
Traurig und verzweifelt starrte er die klebrigen Köstlichkeiten an.
Das war es nicht, was er hatte erreichen wollen. Sein Versuch war ein entsetzlicher Fehlschlag geworden. Er hatte den beiden Menschen nicht im mindesten helfen können, trotz aller seiner erschöpfenden Anstrengungen.
Honig und Schokolade lagen vor ihm.
Und er durfte es nicht wagen, sie sich zu Gemüte zu führen.
Denn vermutlich war das dem Höllenzauber des familiaris entstammende Gift nicht mit transmutiert worden, sondern nach wie vor in tödlicher Dosierung vorhanden…
Der Gnom war dem Zusammenbruch nahe. Was sollte er nun tun?
Die Hexe Lucia kümmerte sich um ihren familiaris . Man hatte ihm das Genick gebrochen. Aber daran starb er nicht; so leicht war ein Wesen seiner Art nicht zu töten. Dazu bedurfte es schon radikalerer Maßnahmen. Die Herrin der Dunkelheit war froh, daß niemand diese rabiaten
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