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0473 - Botin des Unheils

0473 - Botin des Unheils

Titel: 0473 - Botin des Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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starrte ihn an. »Gehen Sie«, verlangte sie mit erstickter Stimme. »Gehen Sie, aber schnell! Wer auch immer Sie sind…«
    Sie wollte an ihm vorbei in das dahinter liegende Schlafzimmer. Aber der Mann streckte blitzschnell eine Hand aus und hielt Naomi am Arm fest. Immer noch zeigte er sein freundliches Lächeln, als er sagte: »So einfach geht das aber nicht, Mademoiselle! Sie werden mir schon etwas über sich erzählen müssen. Was tun Sie hier?«
    Sie riß sich los. »Gehen Sie!« schrie sie ihn an, und noch lauter schrie in ihr der Gedanke: Nick ist von den Toten zurück !
    An die Konsequenzen wagte sie nicht einmal zu denken.
    Wenn Nick lebte, wenn er damals vielleicht gar nicht wirklich gestorben war, sondern es sich nur um eine Illusion handelte, welche die Hexe hervorgerufen hatte, um Naomi einen langanhaltenden Denkzettel zu verpassen…? Und warum sollte das nicht so sein, denn dachten Hexen nicht in völig anderen Zeitvorstellungen als normale Menschen…?
    Aber wenn… wenn es so war…?
    Naomi war verwirrt. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie sah immer wieder Nick vor sich, der jetzt eine Art grüne Uniform trug, neben ihm am Tisch lehnte ein doppelläufiges Gewehr, und…
    Sie schluckte.
    Jetzt erkannte sie Unterschiede. Enrique Landemon! Nein, der war nicht Nick, er sah ihm nur unglaublich ähnlich, und die Erinnerung verklärte Nicks Aussehen. Aber mittlerweile lagen zwanzig Jahre dazwischen, und selbst wenn Naomi sich äußerlich nicht verändert hatte - an Nick hätten diese zwanzig Jahre nicht spurlos vorübergehen können.
    »Wer sind Sie, Monsieur,« stieß sie hervor. »Mit welchem Recht dringen Sie in mein Haus ein?«
    »Ihr Haus?« Sein Lächeln blieb unverändert. »Ich glaube nicht, daß das Ihr Haus ist. Zumindest ist dem Meldeamt nicht bekannt, daß es den Besitzer gewechselt hat und wieder bewohnt ist…«
    »Sie sind Polizist? Aber das… das ist doch keine Polizeiuniform!« stieß sie hervor.
    »Ich bin Revierförster und für dieses Gebiet zuständig«, sagte Landemon freundlich. »Deshalb werde ich eigentlich über Veränderungen jeglicher Art sofort informiert. In Ihrem Fall, Mademoiselle, ist das nicht geschehen. Ich habe dieses Waldstück leider einige Zeit vernachlässigen müssen, aber vor etwa zwei Wochen bemerkte ich Kaminrauch und sah auch Licht hinter den Fensterläden. Ich konnte aber kein Namensschild an der Tür oder sonstwo finden. Also stöberte ich in staubigen Akten und forschte nach. Aber ein neuer Bewohner dieser Hütte war nirgendwo gemeldet. Also, bitte gewähren Sie mir die Freundlichkeit, Ihre Anwesenheit zu begründen.«
    Es ist zu spät, dachte sie schaudernd. Es ist alles viel zu spät. Er redet schon zu lange mit mir, und er hat Nicks Aussehen und Nicks Augen… und ich habe ihn zu lange angeschaut, um mich noch wieder von ihm lösen zu können…
    Sie fühlte Tränen über ihre Wangen rinnen. »Warum sind Sie nicht gegangen?« flüsterte sie.
    Er zuckte mit den Schultern und lachte leise. »Dafür gibt es zwei Gründe. Ich muß dienstlich feststellen, wer Sie sind und was Sie hier machen, und Sie gefallen mir. Sie sind eine schöne Frau, und Sie haben eine angenehme Stimme und ein angenehmes Wesen, soweit ich das bisher beurteilen kann. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie hier einen Terroristen-Unterschlupf einrichten oder sonstige kriminelle Dinge vorbereiten. Aber weshalb haben Sie sich dann nicht bei den Behörden ordentlich gemeldet? Abgesehen davon möchte ich Sie auch privat näher kennenlernen.«
    Auch das noch. Mit offenen Augen rennt er in seinen Untergang.
    »Ich glaube nicht, daß das wirklich erstrebenswert für Sie wäre«, sagt sie. Dabei hätte sie sich ihm am liebsten an die Brust geworfen und sich ausgeweint, ihm ihre ganze Geschichte erzählt. Aber er würde ihr doch nicht glauben. Er konte es einfach nicht. Es war zu fantastisch. Der Fluch einer Hexe… so etwas gab es in Märchen oder in Gruselfilmen.
    Und dann konnte sie ihn nicht mehr fortschicken, sich nicht mehr von ihm lösen. Es hatte sie erwischt.
    Sie hatte sich in ihm verliebt.
    Und nach den furchtbaren Jahren der schmerzhaften Einsamkeit brachte sie es nicht mehr fertig, sich gegen ihn durchzusetzen und ihn wirklich fortzuschicken. Es tat weh, zu wissen, daß sie ihn damit ins Verderben sandte. Aber erneut klammerte sie sich an die Hoffnung, daß der Fluch vielleicht von ihr genommen war. Der Traum, in welchem sie Nick gesehen hatte… war er vielleicht

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