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0473 - Botin des Unheils

0473 - Botin des Unheils

Titel: 0473 - Botin des Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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benötigte, zu Fuß hin. Stück für Stück, Teil für Teil, Tapetenrolle für Tapetenrolle. Immerhin die Möbel existierten ja noch. Sie mußten nur entrümpelt werden; was seit zwanzig Jahren darin verstaubte, war nicht mehr nach Naomis Geschmack, und ehe sie sich hinstellte, und ungeliebte Dinge säuberte, warf sie sie lieber fort und brachte ihre eigenen Sachen her. Es war ein Umzug, der fast ein halbes Jahr andauerte, während dessen sie ständig unterwegs war. Endlich konnte sie sich hier einrichten. Niemand wußte davon, daß sie nunmehr hier wohnte.
    Ihre Dachwohnung in Montrottier behielt sie zur Tarnung weiterhin, und manchmal tauchte sie dort auch für ein paar Tage wieder auf. Sie hatte sich eine glaubwürdige Ausrede für ihre Vermieterin einfallen lassen, um diese nicht mißtrauisch werden zu lassen. Immerhin gingen schon genug Gerüchte durch den Ort. Was Naomi für ihre Arbeit an der Waldhütte brauchte, hat sie kaufen müssen, und ihrem Naturell entsprechend hatte sie es telefonisch bestellt - von Firmen aus anderen Orten, und sie hatte nicht ihre eigene Wohnung als Anlieferungsziel angegeben, sondern eine Straßenkreuzung außerhalb des Ortes, wo es immerhin das Schutzdach einer Bushaltstelle gab. Zunächst hat das bei den Lieferanten für Verwirrung gesorgt, aber sie gewöhnten sich daran. Solange sie ihr Geld bekamen, konnte es ihnen egal sein, wohin sie die Ware lieferten; zur Not auch an Mauseloch Nr. 3 auf der großen Wiese, wie einer der Lieferanten einmal etwas spöttisch bemerkte.
    Naomi meldete ihren neuen Wohnsitz bei keiner Behörde an. Sie hatte festgestellt, daß sich außer ihr niemand für diese entlegene Hütte interessierte, die sich fernab von jeder Zivilisation befand.
    In der ersten Nacht nach der »offiziellen Besitzergreifung«, nachdem sie also endgültig hier eingezogen war und die Wohnung in Montrottier wirklich nur noch als Alibi ansehen konnte, hatte sie einen seltsamen Traum.
    In diesem Traum sah sie sich selbst, wie sie das Schlafzimmer betrat. Quer über dem Bett lag Nick - der Seemann aus Marseille, der seinerzeit von Cila ermordet worden war, und dessentwegen die Hexe den Fluch überhaupt erst ausgesprochen hatte. Nick lag da, war tot, und über ihm pendelte von der Zimmerdecke ein furchtbares Mordinstrument - eine sichelrunde außenscharfe Hammerklinge an einem langen, im 5-Sekunden-Takt hin und her schwingenden Stiel. An der Schneide klebte Nicks Blut. Es war wie in der alten Schauergeschichte »Die Grube und das Pendel« von E. A. Peo, die sie einmal gelesen hatte, als sie noch ein Kind war. Alles andere als kindgerechte Lektüre, und Naomi fragte sich, welches Trauma aus ihrer Kinderzeit jetzt wieder aufzubrechen drohte. Fand denn das Grauen nie mehr ein Ende?
    Mit einem Schrei erwachte sie, aber das Bild des Toten auf ihrem Bett unter dem hin und her schwingenden Pendel verfolgte sie noch lange…
    Aber warum hatte der Tote ausgerechnet Nicks Aussehen?
    ***
    Gut ein halbes Jahr darauf geschah, was niemals mehr hätte geschehen dürfen. Sie hatte einen ihrer ausgedehnten Spaziergänge gemacht, an die sie sich so gewöhnt hatte, und diese Gewohnheit wollte sie auch nicht wieder aufgeben. Aber da es hier im Wald niemanden gab, dem sie aus dem Weg zu gehen hatte - davon konnte sie, etwa eine Stunde von Montrottier entfernt wohnend, eigentlich ausgehen -, hatte sie diese Spaziergänge wieder auf die hellen Tagesstunden verlegt. Da brauchte sie wenigstens keine batteriestromfressenden Lampen mehr mitzuschleppen oder Gefahr zu laufen, daß sie vor einen Baum stolperte, den sie im Dunkeln nicht sah. Sie hat sich an vieles gewöhnt, aber Augen wie eine Eule besaß sie trotzdem nicht…
    Als sie die Wohnstube der kleinen Hütte betrat, saß Nick am Tisch.
    Naomi fühlte, wie ihr Gesicht blutleer wurde. Sie glaubte in einen endlosen Abgrund zu stürzen. Der Traum schoß ihr durch den Kopf, den sie in der Nacht nach ihrem »Einzug« hatte -Nick, der tot auf ihrem Bett lag, über ihm das hin und her schwingende Todespendel…
    »Nein«, flüsterte sie. »Das ist unmöglich… du bist tot, Nick. Du bist zweimal gestorben…« Sie verstummte jäh und schlug sich mit der flachen Hand vor den Mund, aber das entflohene Wort konte sie nicht wieder einfangen.
    Der Mann erhob sich. »Mir scheint«, lächelte er, »daß Sie mich mit jemanden verwechseln. Ich bin nämlich noch sehr lebendig, und ich heiße auch nicht Nick, sondern Enrique. Enrique Landemon, um genau zu sein.«
    Sie

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