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0473 - Botin des Unheils

0473 - Botin des Unheils

Titel: 0473 - Botin des Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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der Schlüssel, der ihr verriet, daß sie jetzt frei war? Nur diese Hoffnung blieb ihr. Denn die Verzweiflung hätte sie sonst in den Wahnsinn getrieben.
    Anfangs versuchte sie einige Male, trotz ihrer Glaubwürigkeits-Bedenken mit Enrique über den Fluch zu reden. Doch nie brachte sie es wirklich fertig.
    Ihr war, als verschlösse ihr dann jedesmal eine riesige Hand den Mund und zwänge sie zum Schweigen…
    Und für eine Weile schien es tatsächlich zu funktionieren. Alle paar Tage erschien der Förster bei ihr und blieb zunächst Stunden, dann einen, später mehrere Tage. Einige Male deutete er an, daß es vielleicht besser wäre, wenn sie zu ihm zöge und dieses Hexenhäuschen aufgäbe. Aber sie lehnte das Angebot ab. Sie nahm sogar seinen freundlichen Spott hin, als er ankündigte, die Hütte demnächst mit allerlei Plätzchen und Schokolade zu überziehen und hinter dem Haus einen Käfig anzulegen, der groß genug wäre, um Hänsel und Gretel darin einzusperren.
    Naomi beobachtete ihn aufmerksam. Aber es schien vorbei zu sein -endlich, nach zwanzig Jahren! Enrique Landemon schien von keinem Schicksalsschlag getroffen zu werden.
    Viel zu spät erkannte sie, welch guter Schauspieler er war…
    Daß er es vor ihr verheimlicht hat, um sie nicht zu beunruhigen…
    Aber dann konnte er sein Trinken nicht mehr verheimlichen, und er kam seltener. Da begriff sie, daß es alles wieder von vorn begann. Nichts hatte sich geändert.
    Wieder einmal wurde sie in den Abgrund der Verzweiflung gestoßen, nachdem sie erst Hoffnung schöpfen durfte.
    Aber auch Enrique Landemon war verloren.
    Es würde auch nichts mehr nützen, wenn sie sich völlig von ihm zurückzog. Dieser teuflische Prozeß war einmal ausgelöst, nicht wieder zu stoppen.
    »Cila«, schrie sie. »Cila, so furchtbar kann doch niemand hassen… warum hast du mir das angetan, Cila?«
    Aber niemand antwortete ihr.
    Denn die tote Hexe konnte sie nicht hören.
    Nur der große, graue Wolf, der plötzlich am Rand der Lichtung stand.
    ***
    Mai 1992:
    Die Tür der kleinen Holzhütte wurde geöffnet, und Fenrir trottete hervor. Der Wolf hatte die Ohren ganz leicht angelegt und das Stirnfell gewellt. Langsam näherte er sich Zamorra.
    Ich habe dich also doch nicht abschütteln können, vernahm Zamorra die lautlose Gedankenstimme in seinem Kopf. Bist du jetzt mit dir und der Welt zufrieden?
    »Du scheinst die Sache wirklich ziemlich verbissen zu sehen«, sagte Zamorra. Er sah an Fenrir vorbei die kleine Hütte an, welche die schmale Lichtung beherrschte. Das Holz hätte mal einen neuen Isolieranstrich gebraucht; überall blätterte die Farbe ab, und einzelne Bretter und Bohlen sahen so aus, als würden sie in den nächsten Jahren wohl auseinander brechen. Die Fenster waren sauber, dahinter hingen hübsche Gardinen. Im Innern der Hütte war es dunkel; Zamorra konnte nicht erkennen, ob hinter der halb offenen Tür jemand stand. Überhaupt erweckte die Hütte einen düsteren, beklemmenden Eindruck…
    Das war das richtige Wort, fand Zamorra. Beklemmend. Er wußte, daß er sich in diesem Haus nicht wohlfühlen könnte. Und das lag sicher nicht daran, daß die Bäume am Rand der Lichtung ein ausladendes Laubdach zeigten und fast alles so überschatteten, daß zumindestens um diese Tageszeit hier nur eine Art Dämmerlicht herrschte…
    All right, du hast uns gefunden, nun kannst du wieder gehen, empfahl der Wolf.
    Zamorra schüttelte den Kopf und hob die Schultern leicht an. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich stundenlang hinter dir her marschiert bin, um jetzt wieder zu verschwinden.«
    Und du glaubst doch nicht im Ernst, daß du hier willkommen bist?
    »Ich mag deine Art, unsere Gastfreundschaft mit gleichem zu vergelten«, sagte Zamorra spöttisch. »Ich kann mich nicht erinnern, daß wir dich jemals aus dem Château gejagt hätten, weil du vielleicht gerade ungelegen kamst… Fenrir, bisher waren wir Freunde.«
    Das sind wir auch immer noch, du und ich - aber du bist nicht Freund der Frau, die hier wohnt.
    »Für mich ist der Unterschied marginal«, brummte Zamorra. »Also, magst du mich ihr wirklich nicht vorstellen?«
    Begreifst du nicht, daß sie in Ruhe gelassen werden will? Sie will keinen Menschen sehen. Nicht dich, und auch niemanden sonst. Mich akzeptiert sie, und vielleicht braucht sie mich sogar. Aber du bist in Gefahr, wenn du hierbleibst.
    »Wie soll ich denn das verstehen?« fragte Zamorra stirnrunzelnd. Er mußte plötzlich wieder an Enrique Landemon denken

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