0476 - Der Sohn des Killers
Namensschilder. Im dritten Stock wohnte eine Mary Stolt, die Schwester von Pete Mordrew, bei der er Unterschlupf gesucht hatte. Alles stimmte, wie es ihm sein unbekannter Auftraggeber geschildert hatte.
Price verließ das Haus wieder und bezog einen Beobachtungsposten in einer kleinen Snackbar, von der aus er den Eingang des Hauses bequem überblicken konnte. Der Geldbote seines Auftraggebers hatte ihm gleichzeitig zur Orientierung ein Foto seines Opfers mitgebracht.
Kurz nach Eintritt der Dunkelheit, bevor sich die Nachtgäste in der Snackbar einstellten, kam der Barkeeper an den kleinen, runden Tisch. »Warten Sie auf jemanden?« erkundigte er sich neugierig.
»Nein.«
»Sie haben aber viel Zeit«, stellte der Barkeeper ohne Argwohn fest.
»Ja, zum Teufel, habe ich!«
»Schon gut«, brummte der Barkeeper gekränkt und schlurfte davon.
Price kritzelte etwas auf einen Zettel, schob ihn in einen leeren Briefumschlag und klebte ihn zu. Er trank seinen Tomatensaft aus. Immer wenn er »arbeitete«, verzichtete er auf Alkohol. Dann zahlte er und ging.
Die Fenster im dritten Stock des gegenüberliegenden Hauses waren erleuchtet. Price blieb einen Augenblick stehen und blickte bewegungslos zu ihnen hinauf. Einmal huschte ein Schatten vorbei, stand still und verschwand wieder.
Der Mörder ging langsam weiter bis zur Ecke, hinter der sein Wagen parkte.
Niemand war auf der Straße, als er den Gepäckraum öffnete. Er schloß den größten der drei Koffer auf, nahm eine Pistole, die er sorgfältig durchlud, und ließ sie in seine Schulterhalfter gleiten.
Dann hob er vorsichtig eine der beiden Maschinenpistolen heraus, schob das Magazin ein und zog den Spannbügel durch. Ein leises Klicken — die Maschinenpistole war schußbereit. Er verstaute zwei weitere Magazine in den Taschen seines weiten Mantels und hängte die Maschinenpistole an eine Schlaufe unter dem Arm.
Sorgfältig verschloß er den Koffer, klappte den Deckel zu und ging langsam in die Seymont Avenue zurück.
Als er einen Halbwüchsigen die Straße herunterkommen sah, winkte er ihn heran.
***
Pete zuckte zusammen, als es klingelte.
»Nicht aufmachen!« stieß er zitternd vor Angst hervor.
Mary Stolt hatte schon die Klinke in der Hand. Mißtrauisch kniff sie die Augen zusammen und blickte auf ihren Bruder, der grau und verfallen auf dem altersschwachen Kanapee saß.
Sie war eine resolute Frau, die sich, seitdem ihr Mann sie verlassen hatte, hart durchs Leben schlug. In ihren Augen war Pete ein haltloser Schwächling.
»Warum soll ich nicht öffnen?« fragte sie. »Du hast mir also nicht alles erzählt! — Vielleicht die Bullen, was?«
»Nein, nein, ich schwöre dir…«
Es klingelte wieder.
»Nein!« schrie Pete und kroch in sich zusammen, als ob er dadurch unsichtbar werden könnte.
Mary Stolt warf ihm einen verächtlichen Blick zu, drückte die Klinke herunter und verließ das Zimmer.
Zitternd lauschte Pete auf die Stimmen an der Flurtür. Er hörte, wie sich Schritte im Hausflur entfernten und atmete erlöst auf. Gleich darauf kam seine Schwester zurück.
Sie warf einen Brief auf den Tisch, auf dem nur sein Name stand, stemmte die Hände in die Seiten und polterte los: »Wie kommt der Brief hierher?«
»Ich… ich weiß es nicht«, stotterte Pete fassungslos und stierte den Brief an, als ob er eine Zeitbombe enthielte. »Mach ihn auf!«
Pete griff mit spitzen Fingern nach dem weißen Umschlag und riß ihn auf. Ein Zettel fiel heraus und blieb mit der Schrift nach oben auf dem Tisch liegen.
Die Frau nahm ihn und las laut vor: »Verschwinde, Pete, Henry ist hinter dir her und wird dir um Mitternacht einen Besuch abstatten.«
Mary blickte ihren Bruder mit kalten Augen an. »Was bedeutet dieser Wisch? Wer ist Henry?«
Pete duckte sich. »Ich will dir ja alles sagen, ja das will ich. — Ich war heute bei den Bullen vom FBI.«
»Du warst bei den Bullen?«
Pete nickte stumm. »Sie haben mir fünfzig Dollar gegeben, und dann sollte ich noch mal fünf Scheine bekommen.«
»Wofür?« fragte Mary Stolt hart.
»Für eine kleine Geschichte, die ich den Bullen erzählen sollte.«
»Und? — Hast du sie erzählt?«
»Ja, habe ich.«
»Warum will dir dann dieser Henry an den Kragen?«
Pete krümmte sich wie ein Wurm. »Das ist nämlich so, Mary — ich habe den Bullen zuviel erzählt.«
»Was?«
»Die andere Geschichte sollte ich erst einen Tag später erzählen.«
»Welche andere Geschichte?«
»Die mit dem Haus in Bronx. — Ich weiß
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