0476 - Der Sohn des Killers
Fehler gemacht hat. Bestimmt sollten wir Bronsons Leiche finden. Tote haben den Vorzug, daß sie nicht mehr reden.« Phil setzte sich mit einem abgrundtiefen Stöhnen auf den Tisch. »Das war ja die reinste Vorlesung. Meinst du nicht, daß es besser wäre, wenn wir erst mal einen Arzt verständigten?«
»Okay, ich geh zum Wagen.«
Phil wollte protestieren, aber da war ich schon weg. Ich lief zum Jaguar und rief unser Office an.
Wir waren ziemlich weit draußen, und es konnte eine Weile dauern, bis unser Doc mit dem Sanitätswagen eintraf.
Als ich ins Haus zurückkam, saß Phil noch immer auf dem Tisch und rauchte eine Zigarette.
Ich beugte mich über Bronson. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. »Ich glaube, wir können nichts tun. Sehen wir uns also um.«
Ich blickte mich um. Jetzt, da das helle Tageslicht zum Fenster hereinkam, wirkte der Raum noch verkommener. An einem Kleiderrechen hingen alte Klamotten, daneben stand ein Schaukelstuhl mit zerschlissenen Polstern. Auf der anderen Seite nahm ein Schrank aus rohem Holz die ganze Wand ein. Der Boden war so schmutzig, als ob er seit Jahrzehnten nicht sauber gemacht worden wäre.
Aber irgend etwas stimmte nicht in dem Raum. Ich wußte nur noch nicht, was es war. Mein Blick ging zu der holzgetäfelten Decke, die von schweren Balken getragen wurde.
Und da wußte ich es auf einmal. Hier wurde ein Alter vorgetäuscht, das die Decke nicht haben konnte. Denn an vielen Stellen sah ich helle Harzflecke, ein sicheres Zeichen, daß die Bretter nicht lange gelagert waren.
Ich machte Phil darauf aufmerksam. Er wurde plötzlich sehr munter. »Meinst du, es ist eine doppelte Decke?«
»Bestimmt. Wahrscheinlich haben wir das Versteck der Diamantenbande vor uns, aber ich gebe mich keinen Illusionen hin. Es wird leer sein.«
Phil stieg auf den Tisch und klopfte das Holz ab. Aber er fand nichts, was auf einen Öffnungsmechanismus hindeutete.
»Die Sache wird immer verworrener«, sagte er. »Warum haben sie uns den Tip mit dem Haus gegeben?«
»Vielleicht wird es uns Bronson erzählen«, sagte ich. »Wir werden uns jetzt erst einmal den alten Schuppen hier vorknöpfen. Vielleicht finden wir etwas…«
Henry verfolgte den Penner mehr als zwei Stunden. Als er dann sah, daß Pete in einem alten Haus verschwand, in dessen Kellerräumen ein Altmaterialienhändler sein Gewerbe betrieb, drehte er ab.
Von der nächsten Telefonzelle aus rief er den Boß an, den er noch nie gesehen hatte.
Als er berichtete, daß Pete Lunte gerochen hatte und daß aus der »Fahrt« nichts geworden war, blieb es sekundenlang gefährlich still.
Ein eisiges Gefühl kroch Henry über den Rücken. Denn er wußte, wer einmal versagt, dem gab der Boß selten die Gelegenheit, sein Glück zum zweitenmal zu versuchen.
»Ich werde mich selbst darum kümmern«, schnarrte es aus dem Hörer. »Gib mir die Adresse!«
»Bronx, 47 Seymont Avenue.«
Es klickte in der Leitung, der Teilnehmer hatte aufgelegt.
***
Der Mörder war auf dem Weg. Er sah nicht so aus, als ob das Töten sein Gewerbe wäre. Er hatte kein brutales Kinn, keine zurückfliehende Stirn und keine zusammenstehenden stechenden Augen.
Dieser Mörder war ganz alltäglich.
Er hieß Richard Price und wirkte wie ein Angestellter, der mit seiner Aktentasche nach dem Dienst zu seiner Frau nach Hause ging.
Price genoß in der Unterwelt einen legendären Ruf. Fast in allen großen Städten der USA verfügte er über eine zufriedene und zahlungskräftige Stammkundschaft. Man schätzte ihn wegen seiner genauen Arbeit und seiner absoluten Verschwiegenheit.
Für den Auftrag, den Penner Pete Mordrew in ein besseres Jenseits zu befördern, hatte Price von dem unbekannten Boß zehntausend Dollar verlangt. Fünftausend hatte er als Anzahlung schon bekommen.
Price blieb vor dem Haus 47 Seymont Avenue stehen. Angewidert rümpfte er die Nase. Seine Klienten pflegten meistens in luxuriösen Villen zu wohnen, und er kam sich degradiert vor.
Price war ein eleganter Mann. In einer Seitenstraße parkte sein hellbeiges Cadillac-Cabriolet, in dessen Gepäckraum drei teuere, schweinslederne Koffer lagen. In einem dieser Koffer, der durch einen Spezialverschluß gesichert war, befand sich sein Handwerkszeug: zwei automatische Pistolen, zwei Maschinenpistolen und ein Gewehr mit Zielfernrohr. Wenn es die Umstände erlaubten, pflegte Price seine Opfer von einem Dach oder einem Fenster aus zu erschießen.
Der Killer ging in den dunklen Hausflur und las die
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