0477 - Invasion der Schatten
diesem Teil des Planeten Olymp Abend geworden. Boscyks Stern hing über dem westlichen Horizont; im Südwesten ballten sich turmartige Gewitterwolken zusammen und zerflossen zu amboßförmigen Gebilden, als sie in der Höhe auf eine kalte Luftschicht stießen.
Kalan Zorkh, Jan Vermeeren und Professor Niersteiner wurden von Dienstrobotern in ihre Räumlichkeiten eingewiesen, in denen sie während ihres Aufenthaltes auf Olymp wohnen würden. Der Koordinator der Posbi-Besatzung des Forschungsschiffes fuhr mit Argyris in einem Antigravlift auf die westliche Hochplattform des kaiserlichen Palastes. Dort war bereits alles für die Party vorbereitet, die Anson Argyris zu Ehren seiner Gäste geben wollte. Bioplastverkleidete Roboter mit den Formen und Kostümen von Sklavinnen rückten die Sessel zurecht und warteten auf die Befehle ihres Gebieters.
„Wie gefällt es Ihnen hier, A-PI?" fragte Argyris den Posbi.
Der biopositronische Roboter sah sich aufmerksam um. A-Pl besaß, entsprechend seines Verwendungszweckes, der ihn ständig mit Menschen zusammenarbeiten ließ, humanoide Gestalt, war allerdings unverkleidet.
„Eine ausgezeichnete Komposition von Natur und Technik, Majestät", antwortete er. „Ich gestehe, daß diese Umgebung mich ganz eigentümlich stimmt."
Anson Argyris nahm von der nächststehenden Sklavin einen Moondrink entgegen und schlürfte behaglich die Ypsani-Qualle, die obenauf schwamm.
Seine schwach wulstigen Lippen schmatzten dabei.
„Ein Werk des berühmten Psycho-Gestalters Mano Caprisoni", erklärte er. „Er nannte diese Komposition >Verbrüderungstraum<. Eine sinnige Bezeichnung, nicht wahr?"
Bevor der Posbi antworten konnte, fiel Adam wie ein Stein herab, verkrallte sich in Argyris' Bart und kreischte: „Mörder, Mörder!"
Ein Hayhondor strich mit ausgebreiteten Schwingen lautlos über die Köpfe der beiden humanoid geformten Lebewesen. Sein Kopf ruckte herum, und gelbleuchtende runde Augen spähten herab. Dann schwang sich der Raubvogel mit klatschenden Flügelschlägen empor, glitt geisterhaft über die Sonnenscheibe und verlor sich in den Schatten der Gewitterwolken.
Anson Argyris nahm den zitternden Kolkraben von seinem Kopf und strich ihm mit dem Zeigefinger behutsam übers Gefieder.
„Er kann dir nichts mehr tun, Adam", flüsterte er.
„Warum bist du auch allein geflogen? Du kennst doch die Gefahren dieses Planeten."
Adam blickte den Kaiser aufmerksam an, trat von einem Fuß auf den anderen und sagte deutlich: „Ich liebe dich."
Hinter dem Kaiser ertörite ein dumpfes Grollen.
Ein geschmeidiger Tierkörper schob sich aus den Schatten zwischen den Ziersträuchern, ein Wesen, halb Tiger, halb Bär, aber so groß wie beide Tiere zusammen. Die kurzen Ohren zu beiden Seiten des mächtigen Schädels zuckten.
Argyris wandte sich halb um und lächelte.
„Hallo, alter Freund!" rief er zärtlich. „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf die alte Krähe!"
Der Maorghy tappte auf leisen Sohlen näher und gab ein dunkles „Aaaooaah" von sich, als Anson Argyris ihn hinter den Ohren kraulte.
„Soweit ich aus meinen Speichersektoren ersehen kann", sagte der Posbi, „bestehen zwischen einer Krähe und einem Kolkraben gewisse Unterschiede, Majestät."
„So genau dürfen Sie meine Worte nicht nehmen, A-Pl", antwortete der Freifahrer-Kaiser.
„Blechbüchse!" kreischte Adam und schlug mit den Flügeln. „Plasmakonserve!"
„Wirst du wohl meine Gäste nicht beleidigen!"
sagte Argyris vorwurfsvoll.
Der Kolkrabe sagte ein unanständiges Wort und flatterte hoch. Er landete auf dem Nacken des Maorghy und zerzauste dessen Fell mit dem Schnabel.
„Hat Adam sich unanständig benommen?" fragte die dröhnende Stimme des Haluters aus dem Hintergrund.
Anson Argyris wandte sich um. In diesem Augenblick flammten ringsum die Leuchtprojektionen und die schwebenden Tiefstrahler des Kaiserpalastes auf. Während die Sonne unterging, wurde es strahlend hell.
Kalan Zorkh, Oberstleutnant Vermeeren und Professor Josef Niersteiner trugen ihre Ausgehuniformen. Sie setzten sich an den runden Tisch, an dem der Kaiser und der Posbi bereits Platz genommen hatten. Für den Haluter stand ein Spezialsessel bereit, eine schwere Terkonitschale auf Stützbeinen, die einstmals zu seinem Rettungsboot gehört hatte.
„Ein Tier kann sich niemals unanständig benehmen, Horkhos", sagte Argyris. „Das ist einzig und allein das Vorrecht bewußt denkender Lebewesen."
Die Robot-Sklavinnen servierten Getränke
Weitere Kostenlose Bücher