0477 - Tanzplatz der Verfluchten
tanzenden Gebeinen oder Knochen malträtiert, dann zeigte sich der böse Mann, wobei die zwei Dinge in einem natürlichen Zusammenhang stehen.«
»Das glaube ich auch.«
»Iß erst mal deinen Teller leer. Danach sehen wir weiter.«
»Nein, du kannst jetzt reden. Ich nehme an, daß du in das Gebiet fahren willst.«
»So ist es. Mit dir.«
»Um die tanzenden Knochen und den bösen Mann zu finden.«
»Richtig.«
Mit einer Serviette tupfte ich mir die Lippen ab. »Hört sich ungewöhnlich an. Fast wie ein Märchen.«
Der G-man verzog die Lippen. »Märchen enden meist gut. Dieses hier hat einen verflucht bitteren Beigeschmack bekommen, wie ich finde. Aber ich will dir da nicht hineinreden oder dich voreingenommen machen. Jedenfalls glaube ich Ken Kudelke jetzt.«
»Du hast die tanzenden Knochen selbst nicht gesehen?«
»Nein, der böse Mann reichte mir. Ich sah sein Gesicht. Eine widerliche gelbschwarze Fratze mit einem Loch als Mund. Trotz der hemmenden Scheibe, John, ich sage dir, die Maske strömte etwas aus, daß mich eine Gänsehaut überkam.«
»Ja, so etwas gibt es.«
»Kurz bevor ich dich anrief, erschien die Maske wieder. Sie starrte durch das zerstörte Fenster in meine Wohnung. Ich hatte meine Kanone griffbereit und auch geschossen.« Er hob die Schultern.
»Nichts ist dabei herausgekommen.«
»Hast du auch getroffen?«
»Davon kannst du ausgehen.« Der FBI-Mann stieß gegen meinen linken Ellbogen. »Ich sage dir, daß wir es hier mit einem verdammt gefährlichen Zauber zutun haben.«
»Hast du deine Vorgesetzten eingeweiht?«
»Gott bewahre, nicht alle. Den Dienststellenleiter schon. Der will mir nicht so recht glauben. Die Vampir-Polizei liegt eben zu lange schon zurück für New Yorker Verhältnisse. In dieser verdammten Stadt vergißt man schnell.«
»Gehst du davon aus, daß dich der böse Mann auf seine Liste gesetzt hat?«
»Klar.«
»Fühlst du dich verfolgt? Hast du ihn in der Zwischenzeit schon gesehen?«
»Nicht mehr.«
»Vielleicht hat er sich bei seinem zweiten Erscheinen nur überzeugen wollen, daß alles gut verlaufen ist.«
»Das kann auch sein.«
Ich schlug dem Kollegen auf die Schulter. »Okay, Abe, du hast mich überzeugt. Ich werde zahlen, dann können wir meinetwegen in die Neu-England-Staaten fahren.«
»Die Rechnung übernehme ich.«
»Danke.«
Die Mandeläugige stand an der Espresso-Maschine und füllte noch einige Tassen.
Danach sah sie das Zeichen und kam zu uns. Es war alles normal, nichts deutete auf eine Gefahr hin, dennoch war sie vorhanden. Wir entdeckten sie nicht, es war das Mädchen mit den Mandelaugen, das auf halber Strecke stehenblieb und ihre gesunde Gesichtsfarbe verlor. Sie starrten an uns vorbei, ihre Lippen begannen zu zittern, und mit einer sehr langsamen Bewegung hob sie den Arm.
»Da…« Wir ahnten das Wort mehr, als daß wir es hörten, drehten aber gemeinsam die Köpfe.
»Himmel, das ist nicht wahr!«
Ich achtete nicht auf Abes Worte, sondern starrte auf den Gegenstand, der über der linken Krümmung der halbrunden Theke schwebte.
Es war ein bleiches Gebein!
***
Ich rutschte langsam vom Hocker, ohne den Knochen aus den Augen zu lassen.
Hinter dem Tresen stieß das Mädchen einen quietschend klingenden Laut aus und schüttelte den Kopf. Auch andere Gäste waren aufmerksam geworden. Ihre Köpfe ruckten herum, um sich den Knochen anzuschauen.
Niemand begriff so recht, was er damit anfangen sollte. Einige hielten es für einen Scherz, wie ihr Lachen anzeigte, obwohl es doch ziemlich gequält klang.
Ich ging einen kleinen Schritt vor, bis mir Abes Arm im Weg war. Seine Hand hielt mich fest. »Was hast du vor, John?«
»Ich will ihn mir schnappen.«
»Paß auf. Denk daran, was ich dir gesagt habe. Diese Gebeine sind gefährlich. Kudelke hat es…«
»Natürlich.«
Abe löste seine Hand von mir, so daß ich mich an seinem Rücken vorbeischieben konnte und dem in der Luft schwebenden Knochen immer näher kam.
Er bewegte sich nicht und stand dort, als wäre er von einer Schnur gehalten worden.
Wartete er auf mich?
Ich streckte den Arm aus, um über die Platte der Theke greifen zu können.
Es war im Lokal sehr still geworden. Zahlreiche Augenpaare beobachteten jede meiner Bewegungen. Hin und wieder vernahm ich ein gepreßt klingendes Atmen. So richtig kam keiner mit dem zurecht, was sich seinen Augen bot. Hier ging etwas vor, das einfach nicht zu begreifen war.
Der Knochen rührte sich nicht. Ich konnte ihn genau ansehen.
Weitere Kostenlose Bücher