0478 - Der Friedhof der Lebenden
wandte sich nach hinten um. »Nici - Kann das ›dein‹ Wagen sein?«
Nicole zuckte mit den Schultern. »Wäre ein bißchen groß, dieser Zufall, meinst du nicht auch?«
»Stop!« befahl Zamorra trotzdem. »Nicole, du verfolgst mit dem Taxi den Wagen. Uschi, Angelique und ich suchen derweil Julian auf.« Er stieß den Wagenschlag auf und sprang aus dem Taxi, kaum daß es zum Stehen gekommen war. »Ruf hier an«, rief er Nicole noch zu, »sobald du mehr weißt!« Auch Angelique und die Telepathin sprangen aus dem Wagen, der sofort mit durchdrehenden Rädern wieder anfuhr. Die Türen schlossen sich durch den Ruck und die Beharrungskraft von selbst.
Zamorra hoffte, daß das Taxi mit Nicole den dunklen Wagen nicht verlor - sofern es tatsächlich das Entführerfahrzeug war. Die Wahrscheinlichkeit war äußerst gering, das mußte er sich selbst gegenüber zugeben. Aber eine innere Stimme hatte ihn alarmiert. Ted Ewigk hätte das vermutlich sein »Reportergespür« genannt. Julian war hier, Zamorra und die anderen waren hier, die Entführer möglicherweise auch - eine Menge magischer Personen und Dinge an einem Fleck. Nichts war unmöglich.
Die letzten dreißig Meter bis zum Eingang des versetzt hinter einer blumenübersäten Grünanlage liegenden Hotels gingen sie zu Fuß. Zamorra steuerte schnurstracks die Anmeldung an und stellte sich vor. »Ich möchte zu Mister Julian Peters. Er kennt mich. Bitte melden Sie ihm meinen Besuch.«
»Das tut mir leid, Mister Zamorra, aber Mister Peters hat soeben in Begleitung das Haus verlassen. Er hinterließ keine Nachricht über seinen Verbleib oder den Zeitpunkt seiner Rückkehr.«
»In Begleitung? Wer war bei ihm?« fragte Zamorra alarmiert.
»Weshalb möchten Sie das wissen, Sir?«
Zamorra atmete tief durch. Der Concierge hatte recht. Die Privatsphäre des Gastes genoß in jeder Beziehung Schutz.
Angelique tauchte auf. Der Concierge erinnerte sich an die junge Kreolin; sie hatte sich bei ihrem vorigen Besuch als Julians Verlobte ausgegeben. »Sie gehören zusammen?« -Angelique nickte.
Jetzt endlich bequemte der Mann sich zu einer Personenbeschreibung. Sie war ebenso einfach wie nichtssagend und traf auf etwa 50 Prozent der männlichen Weltbevölkerung zu.
»Was nun?« fragte Angelique ratlos. »Wenn er nicht mehr hier ist…«
»… können wir ihn auch nicht um seine Hilfe bitten«, ergänzte Zamorra.
»Möchten Sie Mister Peters eine Nachricht hinterlassen?« erkundigte sich der trinkgeldwitternde Mann hinter der Anmeldung. Zamorra winkte ab. Das ungute Gefühl in ihm wurde stärker. Er dachte an die dunkle Limousine, die gerade passend zu ihrer Ankunft das Hotel verlassen hatte. Da war doch etwas faul.
Er faßte Angelique am Arm und zog sie mit sich wieder nach draußen, wo Uschi Peters wartete. Es wunderte Zamorra, daß sie nicht sofort mit hereingekommen war, immerhin ging es um ein Wiedersehen mit ihrem Sohn, der für viele Wochen verschollen gewesen war. »Er ist nicht hier«, bemerkte sie, noch ehe Zamorra und Angelique etwas sagen konnten.
»Woher weißt du das?«
»Ich spüre es«, sagte sie. »Ich habe zwar meine Telepathie verloren, aber ich würde es fühlen, wenn er hier wäre. Ich glaube, Zamorra, du hattest recht. Er befand sich in dem dunklen Auto.«
»Entführt?« stieß Angelique hervor.
»Vielleicht«, überlegte Uschi. »Ich weiß es nicht.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber in diesem Moment tauchte »ihr« Taxi wieder auf. Nicole sprang aus dem Wagen.
»Er hat sich vor meinen Augen einfach in eine Nebelwolke verwandelt und dann in Luft aufgelöst«, stieß sie hervor.
Zamorra sah Uschi und Angelique an.
»Also haben sie ihn auch erwischt«, murmelte er.
***
Julian spürte, daß etwas nicht in Ordnung war, kaum daß der Wagen losfuhr. Sein Mißtrauen war also nicht ganz ungerechtfertigt. »Anhalten«, verlangte er. »Stoppen Sie sofort wieder ab!«
Doch Mr. Unbekannt reagierte nicht darauf. Er gab stärker Gas. Julian griff nach dem Zündschlüssel, um ihn abzuziehen und damit den Motor und die Lenkung zugleich zu blockieren. Aber der Fahrer mußte mit einer solchen Bewegung gerechnet haben; während er sich auf den Verkehr konzentrierte, zuckte seine rechte Handkante nach unten und traf Julians Unterarm. Der Träumer stöhnte auf. Tränen schossen ihm in die Augen, und er spürte, wie ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat. Er fühlte nichts anderes mehr als nur Schmerz, der von seinem Unterarm ausging. Er war alles andere als
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