0479 - Die Nacht der bösen Angela
Zigarette an. Nur das Schnicken des Feuerzeugs unterbrach die Stille im Raum.
»Du sagst nichts, John?«
»Ich kann dir nur recht geben. Auch mich interessiert die Ahnenforschung. Wie du weißt, sind einige interessante Tatsachen dabei herausgekommen.«
»Zu denen man dir nur gratulieren kann.«
»Das bezweifle ich. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich es als Fluch oder Segen ansehen soll.«
»Nimm es als Segen hin und als eine Verantwortung, die du zu tragen hast.« Er drehte sich abrupt um. »Bei mir jedoch liegt die Sache anders.«
Ich sah ihn durch den Rauch an. »Und wie?«
Er kam wieder auf den Tisch zu und nahm auf dem knarrenden Holzstuhl Platz. »Einer meiner Vorfahren war, das habe ich einer alten Chronik entnommen, ein Vampir. Und er hieß Bloch. Romain Bloch.«
Ich starrte den Abbé an. Sekunden vergingen. »Bist du dir da sicher?«
»Absolut.«
»Ein Vampir«, flüsterte ich. »Blutsauger können viele Jahrhunderte leben, das weißt du.«
»Sicher.«
»Lebt dieser Vampir noch? Hast du mich deshalb gerufen, damit ich ihn pfählen kann?«
»Nein, John, das hätte auch ich geschafft. Der Grund meines Hilferufes war ein anderer. Ich habe den Eindruck, daß sich in der Gegend, in der mein Ahnherr gelebt hat, große Dinge tun. Wie ich vorhin sagte, mit Romain Bloch werden wir nichts zu tun haben, er ist vernichtet worden, das weiß ich aus der Chronik, aber da ist eine andere Sache passiert, die mir zugetragen wurde.«
»Jetzt machst du es aber spannend.«
»Wenn du es so empfindest, war es nicht meine Absicht. Wenn ich dir die Geschichte erzähle, sieht es im ersten Augenblick so aus, als hätte sie mit Romain Bloch nichts zu tun, aber daran will ich einfach nicht glauben. Außerdem verlasse ich mich auf mein Gefühl, das mir genau das Gegenteil sagt.«
»Raus damit.«
»Ich hörte von der bösen Angela.«
»Von wem bitte?«
Abbé Bloch lachte leise auf. »Die böse Angela ist eine Figur, eine Mär, eine Legende - möglicherweise, betone ich. Es kann auch eine Tatsache sein, denn es soll Menschen geben, die sie gesehen haben und davon reden, einem Vampir begegnet zu sein.«
»Und dieses Treffen haben die Leute überlebt?«
Der Abbé nickte. »Das ist mir auch ein Rätsel. Jedenfalls baue ich die Geschichte an der Existenz dieser Person auf. Deshalb habe ich dich auch herkommen lassen. Die böse Angela und mein Ahnherr, der ein Vampir gewesen ist. Wo gibt es da einen Zusammenhang?«
Ich lächelte spärlich. »Möglicherweise überhaupt nicht.«
»Kann sein, muß aber nicht. Du hast dich oft genug auf dein Gefühl verlassen, John. Diesmal verlasse ich mich auf meines. Ich glaube fest daran, daß mehr hinter der Sache steckt, und möchte mich auf die böse Angela konzentrieren.«
»Dann laß mal hören.«
»Viel weiß ich auch nicht. Diese Legende ist ziemlich neu und gleichzeitig auch alt. Ich fand die ersten Spuren in der Chronik, die ich gelesen habe. Darin wurde nicht nur über meinen Ahnherrn geschrieben, auch über eine Person, die als Ziehtochter eines Köhlers aufwuchs. Mein Ahnherr ist einige Male mit ihr zusammen gesehen worden. Frag mich nicht, wo. Vielleicht in einer Hütte oder in einem Wald, jedenfalls haben sich Zeugen daran erinnert, als man die Chronik niederschrieb und Angelas Beziehung zu meinem Ahnherrn herausfand.«
»Was geschah mit ihr?«
»Ha.« Der Abbé lachte kurz. »Das ist eben das große Rätsel. Angela verschwand.«
»Ging sie weg?«
»Nein, aber sie kam nicht zurück, als man Romain Bloch pfählte. Die Menschen, die sich zusammengefunden hatten, um ihn zu töten, hatten ihn mit Angela in einem Waldstück verschwinden sehen. Sie sind ihnen nicht gefolgt, weil dieser Wald oder ein bestimmter Ort darin einen unheimlichen Ruf besitzt. So warteten sie auf die Rückkehr der beiden, aber nur Romain ritt den Weg zurück und geriet in eine Fallgrube, in der angespitzte und aufrecht stehende Eichenpflöcke den Boden bedeckten. Er fiel hinein, wurde aufgespießt und getötet. Was mit Angela geschehen ist, konnte niemand sagen.«
»Hat man nicht nach ihr gesucht?«
»Ich weiß es nicht. Jedenfalls erwähnt die Chronik nichts dergleichen. Ich habe mir das Gebiet einmal auf der Karte angeschaut. In der Nähe existiert ein Sumpfgebiet. Auch der Ort, zu dem die beiden geritten sind, befindet sich nicht weit davon entfernt. Möglicherweise hat der Sumpf das Mädchen verschluckt.«
Ich runzelte die Stirn. »Und trotzdem ist Angela in heutiger Zeit gesehen
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