0479 - Eine Puppe aus Manhattan
möglich zu Markte zu tragen. Jemand blies mir etwas ins Gesicht. Aus meiner Kehle kam ein heiserer Schrei. Ich schloß die Augen. Sie brannten wie Feuer. Die Burschen hatten mir eine Ladung Pfeffer verpaßt.
Im nächsten Moment hörte ich das Klicken des Lichtschalters. Ich versuchte, die Lider zu heben, und konnte undeutlich die Konturen zweier breitschultriger Burschen registrieren. Nochmals schlug ich zu, traf aber nur ins Leere. Dann war es mit einem Male dunkel um mich herum. Ich verlor das Bewußtsein.
***
Ich lag auf dem Boden eines Wohnzimmers. Um mich herum blitzten die Scherben einer zu Bruch gegangenen Porzellanvase. Einige Stühle waren umgestoßen worden, und auch sonst sah es in dem Raum so aus, als hätten hier Proben für einen Wildwestfilm stattgefunden.
Ich schloß die Augen und versuchte meine Gedanken zu sammeln. Eine Uhr tickte monoton. Sonst war es still. Und dann hörte ich das Weinen, kurz, fast kindlich aufstoßend, und abgehackt.
Ich stemmte den Oberkörper hoch. In meinem Kopf dröhnte es wie in einer Kesselschmiede. Einige Sekunden lang rührte ich mich nicht. Ich hielt die Augen geschlossen und wartete, daß der Schmerz verebbte. Seltsamerweise verstummte in diesem Augenblick auch das Schluchzen.
Vorsichtig hob ich die Lider. Erst jetzt sah ich den Mann, der am Kopfende der Couch auf dem Boden lag. Er ruhte auf dem Rücken und hatte eine Hand mit gespreizten Fingern auf den Mund gepreßt. Ich erkannte den Mann sofort. Es war Al Rankins.
Ich kam auf die Beine. Mühsam torkelte ich auf ihn zu. Rankins hatte die Augen weit geöffnet. Sie waren so starr und kalt wie kleine, vereiste Straßenpfützen.
Al Rankins war tot.
***
Plötzlich war auch das Schluchzen wieder da. Tote weinen nicht. Also schaute ich mich um.
Die schwere Polstergarnitur stand genau in der Mitte des Zimmers. Das Mädchen lag hinter der Couch. Den Kopf hatte es in die Arme vergraben. Ich sah das strohblonde Haar und den schlanken, jungen Körper. Es trug ein grünes Kleid mit einem breiten, schwarzen Lackledergürtel.
Ich bückte mich und berührte seine Schulter sanft mit der Hand. Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte es einen heftigen Schlag erhalten. Dann hob es den Kopf und starrte mich an. In seinen großen, graubraunen Augen funkelten nicht nur Tränen, in ihnen lag Haß, und dieser Haß galt mir.
»Sie haben ihn umgebracht!« stieß das Girl hervor. »Sie haben ihn getötet!«
Mir war noch immer ziemlich elend zumute. Dieser Ausbruch machte nichts besser. Ich hatte keine Lust, mich jetzt und hier zu rechtfertigen. Es gab wichtigere Dinge zu tun. Ich wandte mich wieder zu Al Rankins.
Er war nicht mehr dazu gekommen, seinen heißen Tip loszuwerden. Seine Gegner hatten ihn für immer stumm gemacht.
Zeit seines Lebens war er nur ein kleiner, verbitterter Gangster gewesen. Nun, Al Rankins war tot, jetzt kam es darauf an, seinen Mörder zu finden. Ich trat ans Telefon und wählte die Nummer der zuständigen Mordkommission. Zehn Sekunden später hatte ich Lieutenant Abott an der Strippe.
»Hallo, Lieutenant«, sagte ich. »Hier spricht Jerry Cotton vom FBI. Ich muß einen Mord melden. Al Rankins ist hier, in seiner Wohnung, umgebracht worden. Die Adresse lautet…«
»Ich weiß, wo er wohnt«, unterbrach mich Abott. Seine Stimme klang ziemlich frostig. »Wir kommen sofort.« Er legte auf.
Das Mädchen stand zögernd auf. Sie strich das grüne Kleid glatt und warf das ziemlich lange, blonde Haar in den Nacken. Sie hatte rotgeweinte Augen, und das Gesicht war etwas verquollen.
»Wie heißen Sie?« fragte ich.
Sie starrte mich an. »Warum haben Sie das getan?« fragte sie mit tonloser Stimme, ohne meine Frage zu beachten.
»Was getan?« staunte ich und wies auf Al Rankins. »Das war ich nicht!«
»Sie haben Al umgebracht«, beschuldigte mich das Mädchen plötzlich. »Glauben Sie im Emst, Sie könnten das vertuschen und der ‘Mordkommission ein Märchen erzählen?«
Ich blieb vor der Hausbar stehen. Mir gegenüber hing unterhalb des Flaschenregals ein großer Spiegel. Ich schaute hinein. Über meine linke Backe zogen sich häßliche Kratzspuren von Fingernägeln. Meine Augen waren rot und entzündet. Ein Schatten unter dem linken Auge machte deutlich, daß sich hier ein hübscher, blauer Fleck zu formieren begann.
Plötzlich dämmerte mir, worauf das Mädchen hinauswollte. Ich begriff auch, weshalb Abotts Stimme so seltsam geklungen hatte.
Ja, es gab keinen Zweifel: Alles wies darauf hin, daß
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