048 - Amöba saugt die Menschen aus
liebsten
auf Natascha zugegangen, hätte diesen herrlichen, lockenden Körper umarmt,
geküßt und an sich gedrückt. Ein heißes Verlangen erfüllte ihn. Aber dann
siegten die Vernunft und sein klarer, kalter Verstand.
Ein für alle
Mal war seine Karriere zu Ende, wenn er sich jetzt zu einer Dummheit hinreißen
ließ. Er konnte sich nicht erlauben, sich mit diesem Mädchen hier oben sehen zu
lassen. Was würde geschehen, wenn man sie entdeckte?
Er verhielt
sich still und genoß nur mit den Augen den ungewohnten, faszinierenden Anblick,
als der vollendete Mädchenkörper auf der Reling stand, als Natascha über die
Leiter in der Nacht verschwand und ins Wasser tauchte.
Leo Barapkin blieb noch drei Sekunden lang im Schatten des Kajütenaufbaus stehen. Dann bewegte er sich auf
Zehenspitzen zum Bug vor. Er beugte sich ein wenig nach vorn, sah im vollen
Mondlicht die nackten Arme, die aus dem dunklen Wasser ragten, und den grazilen
Körper, der die Wassermassen teilte.
Leo riß die
Augen weit auf, als müsse er verhindern, daß ihm auch nur eine Kleinigkeit
entging. Ein Lächeln umspielte die vollen, kräftigen Lippen des Matrosen.
Ein
Teufelsweib, diese Reporterin! Er hatte nur Augen für sie. Und so entging ihm,
daß sich über die Ankerkette, die nur einen knappen halben Meter von ihm entfernt
in der unbekannten Tiefe verschwand, etwas Weiches, Fließendes, Weißes,
Gallertartiges seinen Weg bahnte.
Es hatte
keine bestimmte Form. Es war ein Plasmakörper, so lang wie die Ankerkette
selbst und dick wie ein muskelbepackter Männerarm.
Leo blickte
nach links - und die Gefahr kam von rechts.
Die
Riesenamöbe schob sich wie eine riesige, gespaltene, mehrfingrige Hand auf das atmende, wärmeausstrahlende Lebewesen zu.
Der junge
Matrose spürte den feuchten Gegenstand, der sich auf seinem Handrücken bewegte.
Mit einer mechanischen Bewegung wollte er ihn einfach zur Seite wischen. Aber
es ging nicht. Da wandte Leo den Blick, als er merkte, daß seine Hand sich
nicht mehr bewegen ließ und wie in einem weißen, pulsierenden Schlauch
verschwand.
Der Russe erstarrte
und war sekundenlang unfähig, sich zu rühren oder etwas zu unternehmen. Er
begriff nicht, was geschah, und es ging alles so schnell, daß er überhaupt
nicht reagieren konnte.
Der
Plasmakörper wechselte blitzschnell seine Form. Er verbreiterte sich und legte
sich wie eine zähe, elastische Haut um den Körper des Matrosen.
Dann schrie
Leo. Er riß und zerrte und wollte verhindern, daß sein Oberkörper völlig in die
Gewalt dieses unheimlichen Wesens geriet. Doch seine Kräfte im Verhältnis zu
denen der Amöbe verhielten sich wie die eines Zwerges gegen einen Riesen.
Wild
fuchtelte der Matrose noch mit dem linken, freien Arm in der Luft herum und
taumelte zurück. Doch das Schleimwesen ließ nicht mehr von seiner Beute ab. Der
hinter einem weißen Plasmaschleier verschwundene Kopf bewegte sich und ruckte
hin und her.
Leo schrie.
Sein dumpfes Röcheln war kaum wahrnehmbar. Und doch blickte Natascha in diesem
Augenblick zum Bug hoch.
Sie sah den
sich windenden Körper, die in die Luft ragende Hand. Eine Szene, die der bleiche,
volle Mond beinahe schattenlos ausleuchtete. Und die Russin sah auch das weiße
Etwas, das sich über den Kopf des Unglücklichen hinausschob. Die Amöbe wurde
über dem Schädel Leos zu einer großen, weißen Hand.
So nahm es
Natascha jedenfalls wahr.
Ein Stöhnen
entrann den Lippen der Reporterin.
Das ruhige,
vom Sternenlicht blinkende Wasser um sie herum schien mit einemmal zu ätzender Säure zu werden.
Raus, gellte es durch ihr Bewußtsein. Nur dieser eine Gedanke
hatte noch in ihrem Hirn Platz.
Mit schnellen
Schwimmbewegungen näherte sie sich keuchend dem sanft schaukelnden
Schiffsrumpf.
Sie wußte
nicht, weshalb sie so handelte, sie begriff nicht, warum mit einemmal der Aufenthalt in diesem herrlich warmen Wasser zu
einer Gefahr für sie geworden war. Sie hatte nur den Matrosen gesehen, das
weiße, fließende Etwas und sie handelte instinktiv, erfüllt von einer
unbeschreiblichen Angst, der sie nicht Herr werden konnte.
Die Sekunden,
die vergingen, wurden zu Ewigkeiten.
Natascha warf
noch einmal den Kopf zurück, um zu sehen, was sich vom am Bug abspielte. Aber
sie befand sich in einem so ungünstigen Winkel, daß sie nicht mehr viel
erkennen konnte.
Völlig außer
Atem erreichte sie die Strickleiter, die sie vorhin herabgelassen hatte, um
sich den Rückweg zu sichern. Rasch stieg sie nach oben und kam mit
Weitere Kostenlose Bücher