0484 - Ich stellte dem Tod ein Bein
überzeugt, daß er in dieser großen Halle seine Krankheit nicht zu fürchten braucht.«
»Sie wissen nicht zufällig den Namen der Firma?«
»Nein, leider nicht. Es kann sein, daß er ihn erwähnt hat, aber ich kann mich nicht daran erinnern.«
»Nun komm schon«, drängelte ich. Phil gab sich endlich zufrieden. Wir verließen das Warenhaus und Newark, um mit dem Jaguar zurück nach New York zu fahren. Am nächsten Morgen bestand Phil darauf, daß wir diesen Johnny Farell ausfindig machten. Es war mir schleierhaft, was er sich davon versprach, aber zumindest konnte er es mit der Gründlichkeit rechtfertigen, die man von unserer Arbeit erwartete, und so telefonierten wir uns denn gemeinschaftlich quer durch die entsprechende Abteilung im Branchenverzeichnis der New Yorker Telefonbücher. Wir trieben Johnny Farell bei einer Firma in Brooklyn auf, fuhren hin und sprachen mit ihm fast eine Stunde lang. Es kam nichts, aber absolut nichts für uns dabei heraus.
***
Fay Lorra hatte ihre Kassenbons abgerechnet und zählte ihre Trinkgelder. Sie kam auf die fast unwahrscheinliche Summe von knapp 600 Dollar. Trotzdem schüttelte sie mißmutig den Kopf.
Otto, der weißhaarige alte Mixer, bemerkte es und erkundigte sich teilnahmsvoll: »Stimmt was nicht, Fay?«
Das blonde, zierliche Mädchen rümpfte das zarte Näschen.
»Ich lasse nach.«
»Du? Mach keine Witze! Du bist der Star aller Bardamen, die ich je erlebt habe. Die Männer fliegen nur so auf dich. Seit du hier bist, kriegen nicht einmal unsere Stripteasetänzerinnen die Männer noch von der Bar weg.«
»Aber ich habe heute fast 200 Dollar Trinkgelder weniger als am gleichen Abend in der vergangenen Woche.«
Otto riß die leuchtendblauen Augen auf.
»Führst du Buch?«
»Natürlich«, sagte Fay Lorra. »Es muß doch alles seine Ordnung haben. Ich will viel Geld verdienen, und das möglichst schnell. Aber ich denke nicht daran, mich mit den Burschen von der Steuerfahndung anzulegen. Ich kann für jeden Tag auf den Cent genau angeben, was ich eingenommen habe. Woher soll ich sonst wissen, wann es ein guter und wann es ein schlechter Tag war?«
»Du bist ein Phänomen«, staunte Otto und polierte seinen silbernen Shaker, der sein persönliches Eigentum war und eine gravierte Widmung trug, die von einem der gekrönten Häupter Europas stammte. Otto war 30 Jahre lang auf den großen, luxuriösen Ozeanriesen zur See gefahren, als die Schiffahrt noch ihre große Zeit hatte. Jetzt regierte er als Chef-Barkeeper in einem der berühmtesten Nachtklubs am Broadway. »Du bist ein richtiges Phänomen«, wiederholte er nachdenklich. »Ehrlich gesagt, ich begreife nicht ganz, warum die Leute so verrückt danach sind, unbedingt an deiner Ecke der Bar zu sitzen. Aber ich weiß, daß wir an der Bar den fast vierfachen Umsatz haben, seit du bei uns bist.«
Fay lachte. Sie war entschieden das grazilste Geschöpf, das Otto je zu Gesicht bekommen hatte, und das trug nur zu einer Steigerung seiner Verwunderung bei. Im allgemeinen lieben die Amerikaner zwar schlanke, aber an den richtigen Stellen auch wieder üppige Mädchen. Bei Fay konnte nirgendwo von üppig die Rede sein. Sie war nicht viel größer als fünf Fuß und wog gewiß keine hundert Pfund. Alles in allem wirkte sie manchmal wie ein sehr hilfloses, schüchternes Kind. Und trotzdem flogen die Gäste des Nachtklubs nur so auf sie. Es gab Männer, die sich eine Stunde Unterhaltung mit Fay an der Bar 200 Dollar kosten ließen. Und das war selbst bei den Preisen, die hier genommen wurden, eine recht beachtliche Summe.
»Du müßtest in drei, vier Jahren genug für ein ganzes Leben verdient haben«, fügte Otto hinzu.
Fay Lorra klappte ihre Handtasche zu und hing sich den leichten, hübschen Sommermantel über die Schultern.
»Dir kann ich es ja sagen«, meinte sie mit einem freundschaftlichen Blick auf den alten Mann, der soviel von der Welt und ihren Menschen gesehen hatte. »Bis jetzt habe ich 17 000 Dollar zusammen. Ich will auf 50 000 kommen.«
»Dazu wirst du nicht mehr viel Zeit brauchen — wenn man berücksichtigt, daß du noch so jung bist«, meinte Otto. »Warum gerade 50 000?«
Fay Lorra verriet zum ersten Male, seit sie in New York war, ihr großes Ziel. Fast als ob sie geahnt hätte, daß sie niemals wieder darüber würde sprechen können.
»In dreieinhalb Jahren«, sagte sie mit einem versonnenen, glücklichen Lächeln, »wird ein junger Mann mit seinem Medizinstudium fertig sein. Mit 50 000 Dollar
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