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0485 - Die Furie

0485 - Die Furie

Titel: 0485 - Die Furie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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schwitzte er; er war jetzt schon reif für die Dusche. Aber die Zeit reichte nicht, er mußte warten, bis die Vorstellung vorüber war. Seine Assistentin in ihrer provozierend sparsamen Kostümierung hatte es da leichter, mit dem Hitzestau fertig zu werden. Zudem war sie nicht menschlich; sie besaß möglicherweise ganz andere Mittel, einen Temperaturausgleich herzustellen. Textor konnte sich nicht erinnern, in all den Jahren jemals auch nur einen einzigen Schweißtropfen bei ihr gesehen zu haben, ganz gleich, in welcher Situation sie sich befanden.
    »Du mußt abbrechen«, wiederholte sie. »Ich schaffe es nicht mehr. Ich kann nicht mehr stabilisieren.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es wäre das erste Mal in der Geschichte von ›Mister Merlin’s Magic-Show‹, daß wir abbrechen. Und ich würde es prinzipiell auch nur dann tun, wenn ich selbst wirklich krank wäre. Wir haben einen Vertrag. Du mußt mir die Energie liefern. Wie du das machst, ist deine Sache. Zehre von deiner Substanz oder tu sonst etwas.«
    In ihren Augen glühte der Haß stärker denn je. »Ich sollte dich töten«, sagte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Laß dir etwas besseres einfallen. Und beeile dich damit. Vorhin schon wäre eine Illusion fast geplatzt.«
    »Du wirst nervös«, stellte sie mit bösem Grinsen fest.
    »Sicher werde ich nervös«, sagte er. »Aber für dich gibt es einen viel besseren Grund zur Nervosität.« Er ging auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen. Unwillkürlich veränderte sie sich. Sie sah es im Garderobenspiegel, zuckte erschrocken zusammen und verwandelte ihre schuppigen Klauen wieder in Frauenhände zurück. Textor grinste spöttisch. In der Tat, sie war bereits nervös - mehr als er selbst! Tief atmete er durch. Endlich, nach gut 25 Jahren, hatte er sie in der Zange! Jetzt endlich war ihre Macht nicht mehr größer als seine! Und ihn durchzuckte ein Gedanke. Ehe er ihn richtig zu Ende geführt hatte, sprach er ihn bereits aus: »Lucy, du bist an den Vertrag gebunden! Erfüllst du deinen Part nicht, ist das Vertragsbruch, und alles ist null und nichtig! Und ich kann unbeschadet aussteigen…«
    Eine heiße Feuerlohe schoß aus ihrem aufgerissenen Mund und ließ ihn zurückweichen. »Ich werde den Vertrag erfüllen!« schrie sie schrill. »So lange, bis du tot bist!«
    Sie wandte sich ab und verließ die Garderobe.
    Phil Textor ließ sich auf den Drehschemel fallen. Was für ein Narr er doch war! Durch sein ungezügeltes Mundwerk hatte er sich die Chance verbaut, auszusteigen!
    Das wäre es gewesen - ein Vertragsbruch seitens der Hölle! Dann erloschen die Ansprüche, er hätte aussteigen und allem ein Ende bereiten können…
    Aber jetzt war sie vorgewarnt.
    Er wußte nicht, was sie nun tun würde, aber sie würde auf jeden Fall verhindern, daß er ausstieg. Und wenn sie sich selbst tatsächlich teilweise auszehrte! Das Schlimme war, daß sie dann in der Nacht um so mörderischer agieren und noch mehr Opfer reißen würde, um diesen Verlust wieder auszugleichen!
    Textor schluckte.
    Er sah auf die Uhr. In zehn Minuten ging die Pause zu Ende, dann mußte er auf die Bühne zurück. Der große ›Mister Merlin‹. Der Zauberer, der seit einem Vierteljahrhundert nur vor fast immer völlig ausverkauften Häusern auftrat!
    Nein, er hätte seine Bemerkung für sich behalten sollen. Es bestand zwar die Möglichkeit, daß die Furie von sich aus auf diese seine Chance aufmerksam geworden wäre, aber andererseits wäre es die Simulation eines Zusammenbruchs wert gewesen. ›Mister Merlin‹ hätte sich für alle Zeiten aus dem Showgeschäft zurückgezogen.
    Er brauchte es ja schon längst nicht mehr. Reich und berühmt war er geworden. Und er war nicht mehr der Jüngste. In der ihm verbleibenden Zeitspanne bis zu seinem natürlichen Tod würde er all das verdiente Geld niemals mehr ausgeben können, selbst wenn er seinen Standard um das fünffache hochschraubte.
    Aber jetzt begann ein anderer Gedanke in ihm zu reifen, und er fragte sich, warum er 25 Jahre lang niemals auf diese Idee gekommen war!
    ***
    In der Abgesandten der Hölle tobte kalter Zorn, aber fast hätte sie trotz ihres Zornes schallend gelacht über den Narren Textor, der sich selbst verplappert hatte und sie damit zwang, aktiv zu werden! Dabei hätte er es fast geschafft, wirklich aus dem Pakt auszusteigen, wenn er nur geschwiegen hätte - denn sie selbst hatte an diese Möglichkeit schon gar nicht mehr gedacht.
    Aber das durfte sie natürlich um keinen Preis

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