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0485 - Die Furie

0485 - Die Furie

Titel: 0485 - Die Furie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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bis auf den giftgrünen Tanga und den wehenden Umhang nackte Körper zogen die Blicke auf sich. Auch Jussufs Blicke. Er begehrte sie. Aber als einfacher Bühnenarbeiter hatte er nur wenig Chancen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie war eine Künstlerin und deshalb unerreichbar für ihn. Dennoch…
    Plötzlich tauchte sie bei ihm auf. Das verblüffte ihn maßlos. Sollte ein Traum sich so schnell erfüllen? Aber die Pause mußte bald zu Ende sein, was also wollte sie ausgerechnet jetzt hier? Zielsicher kam sie auf ihn zu. Jussuf fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Die Frau mußte verrückt sein. Der Weg zur Bühne war ausgeschildert, nach hier oben, eine Etage über den Kulissen, konnte man sich nur verirren, wenn man sich gezielt verirren wollte. Also wollte sie tatsächlich etwas von ihm!
    Schweigend kam sie auf ihn zu. Sie ließ den roten Umhang von ihren Schultern fallen und strich das weiße Haar zurück, so daß ihre Brüste völlig frei lagen. Jussuf wurde unruhig. Er sah zur großen Uhr hinüber. Noch drei, vier Minuten bis zum Ende der Pause! Das konnte nicht gutgehen. Dabei war die Gelegenheit so günstig wie nie zuvor. Niemand sonst war hier. Die Frau lächelte, schloß die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel von innen herum. Jussuf wurde es heiß in seiner Kleidung. Eine Frau, die derart gezielt vorging, hatte er bisher noch nicht kennengelernt.
    Sie stand nun direkt vor ihm, sagte immer noch kein Wort, sondern schloß ihn einfach in die Arme.
    Und küßte ihn.
    Ihre Fingernägel wurden zu spitzen Dolchen, die sich tief in seinen Rücken bohrten, und aus ihrem Rachen flammte eine Feuerlohe, die sein Leben innerhalb von Sekundenbruchteilen verbrannte.
    ***
    Es kam zu einer kleinen Verzögerung; erst mit über einer Minute Verspätung betrat ›Mister Merlin‹ in Begleitung seiner Assistentin wieder die Bühne. Aber dafür legte er jetzt erst richtig los. Diesmal erfaßten die Illusionen nicht nur den Bereich der Bühne, sondern griffen auch in den Zuschauerraum über. Die Menschen sahen sich in unglaubliche Dschungellandschaften versetzt, mitten in farbenprächtige, orientalische Basare, in sengend heiße Wüstenlandschaften oder in die Tiefen des Weltraums. Und immer paßte alles in der Umgebung perfekt zusammen, wirkte völlig real. Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit schwanden endgültig dahin, und jetzt hatte selbst Zamorra Probleme, einen klaren Kopf zu behalten und nicht in den Illusionen zu versinken. Nur die jetzt stärker gewordene Wärmeabstrahlung des Amuletts riß ihn zwischendurch immer wieder zurück. Von der Nervosität, die Zamorra vor der Pause noch bei ›Mister Merlin‹ gespürt hatte, war jetzt nichts mehr zu merken, eher eine wilde Verbissenheit. Aber jetzt erkannte Zamorra auch klar und eindeutig, daß die Quelle der Schwarzen Magie ausschließlich die Assistentin Lucy war. ›Mister Merlin‹ profitierte nur von ihrer Kraft.
    Zamorra hielt Lucy mittlerweile für eine Dämonin.
    Er fragte sich, was geschehen würde. Was passierte am Ende der Vorstellung? Oder war längst etwas geschehen, ohne daß er es mitbekommen hatte? Es konnte einfach nicht gut ausgehen.
    Einmal stieß Nicole ihn leicht an und raunte ihm zu: »Dieses wohl hypnotische Feld ist stärker geworden. Ich kann es jetzt fast schon verstehen.«
    »Wirkt es auf dich?« fragte Zamorra besorgt.
    Nicole schüttelte beruhigend den Kopf. »Ich kann es abwehren«, sagte sie. »Aber ich würde es zu gern übersetzen können.«
    »Mit etwas Glück haben wir am Ende der Vorstellung die Chance, die Dämonin selbst danach zu fragen«, brummte er. Dabei war er gar nicht sicher, ob er sich auf eben dieses Ende schon freuen sollte…
    ***
    Phil Textor war bestürzt. Lucy ließ auf sich warten. Im ersten Moment hatte er gehofft, sie habe nichts bemerkt und ließe die Veranstaltung von sich aus platzen. Aber das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein - und mit etwas Verspätung erschien sie. ›Mister Merlin‹ war gezwungen, mit ihr die Bühne zu betreten und die Vorstellung weitergehen zu lassen.
    Sie hatte gemordet!
    Er sah es ihr an, und er spürte auch die Kraft, über die sie jetzt wieder verfügte. Sie war wesentlich stärker als vorhin, wenngleich es normalerweise eine Weile dauerte, bis die Energie sich vollständig in ihr manifestierte. Bis es soweit war, würde er einen großen Teil dieser Energie für die zweite Hälfte der Show beanspruchen, und da sie sich noch nicht selbst stabilisieren

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