0488 - Blutregen
hatte man ihnen nur den Befehl erteilt, zwei bestimmte Personen zu finden und zu Xolox, oder zu wem auch immer, zu bringen - tot oder lebendig.
Zwei bestimmte Personen, deren Beschreibung genau vorgegeben war! Ein extrem dicker Mann im Gewand der Bruderschaft, und eine völlig fremdartig gekleidete Frau mit langem, schwarzen Haar, das bis über die Schultern fiel!
»Wir müssen aus dieser Falle hinaus«, brummte Cristofero. »Vielleicht sollten wir in ein Haus eindringen.«
»Ich habe eine bessere Idee«, wandte Nicole ein.
Verblüfft wandte Cristofero den Kopf; er traute ihr wohl nicht zu, daß sie als Frau tatsächlich eine gute Idee hatte. »Und die wäre?« fragte sie mißtrauisch.
Nicole lächelte. »Sie suchen ein seltsames Paar. Eine schwarzhaarige Frau im Overall und einen zu dicken Bruder.«
»Ich bin nicht zu dick!« protestierte Cristofero prompt. »Nehmt zur Kenntnis, Mademoiselle, daß ich für meine Größe und meine Gewichtigkeit lediglich ein wenig zu niedrig gewachsen bin!«
»Wie auch immer«, wehrte Nicole ab. »Es wird uns leicht fallen, unser Äußeres zu verändern. Wenn Ihr diese Kutte auszieht und Euren Federhut wieder auf den Kopf stülpt, wird niemand in dem Mann im grünen Wams mehr den Gesuchten sehen.«
»Ich stülpe nicht, ich beliebe mein wallendes Haupthaar damit zu bedecken«, rügte Cristofero. »Was mich angeht, mag Euer Plan ja durchaus funktionieren. Doch wie wollt Ihr Euch tarnen?«
Nicole nahm lächelnd die Perücke ab. Vielleicht rettete ihr der kleine, wenn auch teure Modetick, dem sie häufig frönte, nun zum zweiten Mal das Leben.
Erst vor kurzer Zeit hatte eine Hexe geglaubt, Nicoles echtes Haar zu besitzen, hatte es in eine Voodoo-Puppe eingearbeitet und dann vergeblich versucht, Zamorras Kampfgefährtin zu töten. [1] Nicole wechselte eine Vielzahl möglicher Frisuren und Haarfarben mit einer zusätzlichen Vielzahl von Perücken ab. Diesen schwarzen, langen Schopf hatte sie gewählt, weil er sie bei Nacht zusammen mit dem schwarzen Overall vorzüglich tarnte und sie die Strähnen teilweise auch vors Gesicht ziehen konnte. Maßlos verblüfft sah Cristofero ihr relativ kurzes, momentan rötlich gefärbtes Haar an. »Wenn ich dann noch den Overall ausziehe«, erklärte Nicole und begann den Reißverschluß zu öffnen, »wird auch mich niemand mehr mit der Frau in Schwarz in Verbindung bringen. Außerdem, werden wir uns trennen. In der Nähe des Tempels finde ich Euch wieder. Ihr braucht nur immer in dieser Richtung zu gehen. Macht die Straße einen Bogen, wechselt sie an der nächsten Kreuzung.« Sie deutete mit einer Armbewegung die gemeinte Richtung an.
Cristofero errötete. »Ihr - Ihr wollt… Euch entkleiden? Nein, das kann ich nicht zulassen!« keuchte er entsetzt. »Haltet ein! Zieht Euch lieber das Gewand an, das mir ja doch nur hinderlich ist!«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, auf diese Gewänder wird man momentan in diesem Teil der Stadt etwas allergisch reagieren. Eine nackte Frau fällt da weitaus weniger auf. Erinnert Ihr Euch an die drei Nackten, die vorhin vor uns her gingen? Es ist ja auch nur für eine kurze Weile«, fügte sie beruhigend hinzu.
Ganz wohl war ihr selbst nicht, als sie ihre Kleidung abstreifte und zusammenrollte. Immerhin hatte sie jetzt dasselbe Problem wie Cristofero vorhin: sie kam nicht schnell genug an den Blaster und den Dhyarra-Kristall, wenn es ernst wurde. Und die Stiefelschäfte waren zu eng, um den Blaster darin verschwinden zu lassen. Überhaupt stellten diese Stiefel ein Problem dar; sie waren für die Kleidungsrolle zu klobig. Nicole mußte sie also anbehalten - und ohne es zu ahnen, beachtete sie damit ein Tabu! Nacktheit wurde toleriert, war bei diversen Anlässen sogar zwingend vorgeschrieben, aber Schuhwerk war grundsätzlich Pflicht! Eine alte Tradition, die aus der Notwendigkeit erwachsen war, sich außerhalb befestigter Ortschaften gegen die Raubwürmer und Großinsekten zu schützen, die in Erdlöchern nur darauf lauerten, ihre Giftzähne in menschliches Fleisch zu schlagen.
Derweil hatte Cristofero auch sein Bruderschaftsgewand abgestreift. Nicole nahm es ihm aus der Hand. Später konnte sie es vielleicht gebrauchen, wenn sie sich wieder anzog. Verschämt blickte der Grande zur Seite. Möglicherweise war er im Moment froh, daß Nicole eine vorübergehende Trennung vorgeschlagen hatte. Ihre unbefangene Freizügigkeit erschreckte ihn immer wieder.
»Wir sollten jetzt keine Zeit mehr
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