0488 - Blutregen
gehört, daß es hier Schwestern gibt, die ihr Mundwerk so weit aufreißen!«
Nicole lächelte. »Die Kutte fällt ziemlieh weit, und ich kann dafür sorgen, daß mein Gesicht nicht allzu weich aussieht. Vielleicht hält man mich für einen recht jungen Knaben.«
Sie verschränkte die Arme so, daß Cristofero widerwillig ins Staunen geriet. Von ihren weiblichen Formen war gar nicht mehr viel zu sehen. Und bei Dämmerlicht…
Trotzdem hegte er äußerste Bedenken. Wie sollte sie als Frau diese schwere Aufgabe meistern? Außerdem wußten sie beide ja nicht einmal, wo in diesem mächtigen Tempelbauwerk Zamorra gefangengehalten wurde!
Augenblicke später sahen sie beide, wo er sich befand.
Sie hörten einen Schrei.
Der kam von der rechten Seite des Tempels. Da gab es eine mannshohe, umlaufende Mauer, und in der Tempelwand selbst eine Menge kleinerer und größerer Fenster. Und aus einem dieser Fenster stürzte gerade eine Gestalt ins Freie. Das Fenster befand sich in einer Höhe von wenigstens fünfzehn Metern über dem Erdboden. Der Stürzende hatte keine Chance, heil davonzukommen.
»Zamorra!« entfuhr es Nicole entsetzt.
***
Eine kleine, verwachsene Gestalt mit tiefschwarzer Haut bewegte sich durch Château Montagne. Der Gnom fand keine Ruhe. Der Gedanke, am Verschwinden nicht nur seines Herrn, sondern auch der beiden anderen Personen schuldig zu sein, ließ ihn nicht mehr los. Er mußte irgend etwas tun, um ihnen zu helfen.
Deshalb hatte er Zamorras »Zauberzimmer« aufgesucht. Ein schlicht eingerichteter Raum, in dem allerlei magische Utensilien bereitstanden und mit denen Zamorra hin und wieder experimentierte. Dabei war Zamorra stets darauf bedacht, die schmale Grenze zur Schwarzen Magie nicht zu überschreiten.
Dem Gnom war eine Idee gekommen. Die wollte er jetzt in die Tat umsetzen, je früher, desto besser. Aber das konnte er in diesem Zauberzimmer nicht tun, deshalb raffte er all die Dinge, die er zu benötigen glaubte, in einen Beutel zusammen und stieg damit in den Keller hinab.
Scheinbar endlos weit führten die labyrinthischen Gänge in den Berg hinein. Sie anzulegen, konnte seinerzeit nur mit Hilfe Schwarzer Magie gelungen sein, als Leonardo deMontagne die mächtige Anlage erbauen ließ. Selbst die geknechtete Bevölkerung hätte sie nicht mit den damaligen Hilfsmitteln während seiner ersten Lebensspanne anlegen können. Das lag nun rund neunhundert Jahre zurück, fast ein Jahrtausend! Aber die Gänge und Kavernen existierten immer noch, zum größten Teil unerforscht.
Der Weg, der zu den Regenbogenblumen in einer dieser Kavernen führte, war mittlerweile elektrisch beleuchtet, außerdem war der Raum mit den Blumen an die Sprechanlage des Châteaus angeschlossen. Letzteres interessierte den Gnom weniger; von der Bequemlichkeit des künstlichen Lichtes profitierte er jedenfalls. So brauchte er sich nicht unnötig mit Fackeln herumzuschleppen.
Andächtig betrachtete es dann die Blumen unter der winzigen Miniatursonne. Er fragte sich, welcher mächtige Zauber diese Lichtquelle seit vielen Jahrhunderten frei in der Luft schweben und brennen ließ. Warum verzehrte dieses Licht sich nicht selbst? Wer die Blumen einst hier angepflanzt hatte, war dagegen eher unwichtig.
Wie herrlich sie leuchteten und immer wieder die Farbe zu wechseln schienen, sobald der Gnom sich bewegte und seine Blicke die Blütenkelche aus einem anderen Winkel trafen!
Für eine Weile versenkte sich der Gnom andächtig in diesen Anblick. Dann aber rief er sich zur Ordnung. Er überlegte kurz und begann mit seinen Vorbereitungen. Sein ganzes Leben lang hatte er sich mit Magie beschäftigt. Jahrelang zwar vorwiegend im Auftrag seines Herrn, dem er Gold machen sollte, aber er hatte auch viel gelesen und experimentiert. Das sollte jetzt endlich Früchte tragen.
Er ignorierte das Pech, das ständig an seinen Magierhänden zu kleben schien. Zwischendurch mußte doch auch einmal etwas richtig funktionieren. Wenn es auch diesmal ein Fehlschlag wurde, machte das zumindest nicht mehr viel aus. Denn noch schlimmer, als die Lage derzeit war, konnte sie nach seiner Vorstellung gar nicht mehr werden. Und er hatte sich auch eine günstige Zeit ausgesucht; in dieser sündhaft frühen Morgenstunde schlief sowohl Ted Ewigk in Rom als auch Raffael Bois im Château, und es war niemand hier, der den Gnom von seinem Versuch zurückhalten konnte.
***
Für einige Sekunden stand Robor da wie erstarrt. Sein Herz raste; er konnte es immer noch
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