0488 - Blutregen
perfiden Drang, die Folterinstrumente an Zamorra anzuwenden? Noch immer schmerzte den Dämonenjäger der rechte Daumen, wo Yomoy sein Instrument angesetzt hatte. Zum Glück war Robor rechtzeitig gekommen, um die Prozedur zu stören, ehe sie wirklich gefährlich werden konnte - der einzige Pluspunkt, den Zamorra diesem Bruder vom Stein, diesem eiskalten Mörder, bislang anrechnen konnte.
Jetzt kam Robor langsam auf Zamorra zu.
Der begriff sich selbst nicht mehr, weil er sich dabei ertappte, Robors und Landarons seltsame Fähigkeit der Ortsversetzung zu analysieren. Mit dem zeitlosen Sprung der Druiden schien sie nichts zu tun zu haben. Die mußten in Bewegung sein, um einen Sprung durchzuführen, und so wie sie sich »hinein bewegten«, kamen sie auch aus diesem Sprung wieder »heraus«. Aber Robor hatte sich bei seiner Versetzung nicht bewegt, und Zamorra hatte auch, wenn er sich richtig erinnerte, bei Landarons Erscheinen keinen »Bewegungsrest« wahrnehmen können. Aber mit der Art, wie Dämonen kamen und gingen, war es auch nicht vergleichbar. Also »echte« Teleportation?
Da war Robor schon bis auf ein paar Meter an Zamorra heran. »Du weißt, daß du keine Chance hast, Fremder«, sagte der Mordpriester. »Du kannst nicht fliehen. Du weißt, daß ich dich überall einholen würde. Ich bin schnell wie ein Gedanke.«
Zamorra wölbte die Augenbrauen. Er trat jetzt seinerseits auf den Bruder vom Stein zu. »Vielleicht stimmt es«, sagte er und wußte, daß er gleich so schnell sein mußte wie noch nie in seinem Leben. »Vielleicht kann ich nicht fliehen. Aber ich kann - dich töten, Bestie!«
Im gleichen Moment sprang er Robor an!
Er hatte richtig kalkuliert. Der Mordpriester hatte nicht mit einem Angriff des wehrlosen, nackten Mannes gerechnet. Der jähe, wilde Angriff überraschte ihn. Unwillkürlich suchte er sein Heil in einer Teleportation. Aber Zamorra war schneller. Er bekam Robor zu fassen, im gleichen Moment, als dieser sich an einen anderen Ort dachte. Zamorra wurde sofort mitgerissen. Gemeinsam kamen sie an der anderen Stelle an. Robor, noch mehr davon überrascht, daß Zamorra ihn immer noch im Griff hatte, teleportierte erneut, ehe er auf den Gedanken kam, Zamorra zurückzustoßen. Das tat er erst anschließend.
Zamorra taumelte rückwärts, ruderte mit den Armen und suchte nach einem Halt. Aber den fand er nicht. Statt dessen berührte er ein Hindernis, kam darüber rücklings zu Fall - und stürzte aus dem offenen Fenster.
***
Wie der Tempel vom Stein bei Tageslicht aussah, konnte Nicole nicht beurteilen. Aber jetzt, in der Dunkelheit, glich er einem gewaltigen, allesverschlingenden Ungeheuer. Die düstere Architektur rief den Eindruck eines mächtigen Schädels hervor. Der Eingangsbereich war das aufgerissene Maul, und in den »Augen« glühte ein leicht flackerndes Dämmerlicht. Es war unglaublich, daß ein Volk sich so sehr in den Bann schlagen ließ, daß es etwas derart morbides, Alptraumhaftes verehrte.
Das war nicht überall so. Nicole erinnerte sich, daß der König von Faronar in der Welt Ash’Cant den Brüdern vom Stein recht skeptisch gegenüberstand. Hier sah’s anders aus, oder, wenn es sich doch um Ash’Cant handelte, hatte der König wenig Einfluß.
Nicole entdeckte Don Cristofero. Anscheinend hatte er es tatsächlich geschafft, bis hierher zu gelangen, ohne für Krawall zu sorgen. Nicole gesellte sich zu ihm. »Wurde auch Zeit, daß ihr aufkreuzt«, brummte er verdrießlich. »Ich war drauf und dran, auch ohne. Euch einen Versuch zu Zamorras Befreiung zu starten.«
»Davon rate ich Euch ab«, sagte Nicole. »Ich werde in den Tempel eindringen. Ihr werdet hier draußen warten. Ich brauche Euch als Rückendeckung.«
»Was fällt Euch ein?« ereiferte er sich. »Wollt Ihr schon wieder anfangen, Befehle zu erteilen? Ja, was glaubt denn Ihr, wer Ihr seid?«
»Jemand mit weitaus mehr Erfahrung in diesen Dingen, als Ihr sie Euch in tausend Jahren aneignen könnt«, sagte Nicole scharf. »Ihr wartet hier. Sollte ich bei Tagesanbruch noch nicht wieder zurück sein, könnt Ihr Euch etwas einfallen lassen, wie Ihr dann nicht nur Zamorra, sondern auch mich befreit. Bis dahin braucht Ihr mir nur Rückendeckung zu geben.«
Er schwieg verbiestert.
»Ohne Tarnung kommt keiner von uns in den Tempel hinein«, fuhr Nicole fort. »Und Ihr solltet mittlerweile wissen, daß es hier anscheinend keine Brüder mit Eurem - äh, Leibesumfang gibt.«
»Aber ich habe auch noch nicht davon
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