049 - Die Höhle der Untoten
Schreckliches ereignen würde, aber sie hatte nicht die Kraft oder Macht, das Unheil abzuwenden.
»Na, bitte!« Walter hatte es geschafft. Mit einer letzten Anstrengung riss er den Steinzapfen aus dem Loch und hielt ihn triumphierend hoch. Dann legte er ihn vorsichtig neben sich, griff nach der Taschenlampe und leuchtete durch das Loch nach unten. Für ihn war es selbstverständlich, dass er etwas sehen würde.
»Noch eine Grotte«, sagte er. »Aber viel ist da nicht zu erkennen. Moment mal, da scheint so was wie ein Grabhügel zu sein! Oder ein Lehmklumpen? Komisch sieht das aus. Willst du mal sehen, Liesel?«
»Nein, nein!«, wehrte sie entsetzt ab. »Ich will überhaupt nichts sehen. Ich will zurück. Hör doch endlich auf mich!«
In diesem Moment passierte das Schreckliche.
Begleitet von einem donnernden Krachen fuhr ein zuckender Lichtstrahl durch die Decke der Grotte. Es roch nach Schwefel und Feuer. Walter hatte sich instinktiv zurückgeworfen, wurde aber dennoch von herabfallendem Gestein getroffen und schrie unwillkürlich auf.
Der Blitzstrahl schoss auf die kreisrunde Steinplatte und zischte dann durch das Zapfenloch hinunter in die tiefere Grotte. Das alles bekam Liesel gerade noch mit, bevor sie geblendet die Augen schließen musste.
Sie taumelte zurück, bis ihr Rücken die Wand berührte. Steif vor Entsetzen blieb sie stehen. Die Taschenlampe brannte noch. Der Lichtstrahl hatte die Decke der Grotte erfasst. Liesel sah eine Art Kamin, dessen Wände aus geschmolzenem Glas zu bestehen schienen. Wohin er führte, war nicht zu sehen, denn er knickte in einigen Metern Höhe ab.
Liesel schob sich durch den weißlichen Dunst, riss die Taschenlampe an sich und suchte nach Walter. Er erhob sich bereits wieder, kroch unter dem Gesteinsstaub hervor, schüttelte benommen den Kopf und tastete seine Beine ab. Um ihn herum lagen Felstrümmer, die aus dem Kamin herausgesprengt worden waren.
»Alles in Ordnung«, stellte er fest. »Bei dir auch, Liesel?«
»Bitte, Walter, wir müssen jetzt gehen«, sagte sie beschwörend. »Die ganze Grotte kann noch einstürzen.«
»Hat das eingeschlagen!« Er stellte sich unter den Kamin und sah nach oben. Walter nahm zur Kenntnis, dass das geschmolzene Gestein magisch leuchtete. Dann drehte er sich um und ging vorsichtig auf den schweren Stein zu, dessen Steinzapfen er eben erst entfernt hatte. Er beugte sich vor und – erstarrte.
»Schnell, Liesel, schnell!« Er winkte sie zu sich heran. Gegen ihren Willen folgte sie seiner Aufforderung und beugte sich ebenfalls vor.
Die Öffnung war jetzt wesentlich breiter. Der Blitz musste auch dieses Gestein gesprengt haben. Das Zapfenloch war doppelt so groß wie vorher. Doch das war es nicht, was sein Erstaunen hervorgerufen hatte. Liesel sah jetzt, was er meinte. Die untere Grotte war in ein seltsames Licht getaucht, für dessen Ursprung es keine Erklärung gab. Dort unten war nun jede Einzelheit genau zu erkennen. Walter kniete nieder, um sich nichts entgehen zu lassen. Im grabähnlichen Lehmhügel bildeten sich gerade Risse, die von Sekunde zu Sekunde immer breiter wurden. Unter diesem Hügel bewegte sich etwas, langsam und tastend. Die ersten Lehmschollen kullerten zur Seite. Dann platzte der Hügel vollends auf und gab den Blick frei in ein Grab. In diesem hockte eine unförmige Gestalt, von der bisher nur der Rücken zu sehen war. Die Haut über dem breiten Rücken war mumifiziert. Eine lange, weiße Haarmähne klebte auf der vertrockneten Haut.
»Ein Keltengrab«, murmelte Walter. »Neben der Mumie scheint ein Schwert zu liegen. Klar, das ist ein Schwert. Und dort – der Gürtel! Das glaubt mir kein Mensch, Liesel! Das ist ja sagenhaft!«
»Es bewegt sich«, flüsterte Liesel mit heiserer Stimme. »Es bewegt sich!«
»Du bist verrückt.« Walter wollte seiner Stimme einen spöttischen Unterton geben, doch er schaffte es nicht so recht. Auch er hatte nämlich den Eindruck, dass die Mumie dort unten in der Grotte eine Bewegung gemacht hatte. Aber vielleicht hing das auch nur mit dem seltsamen Licht zusammen, das die Grabgrotte ausleuchtete und jetzt wieder matter wurde.
»Es bewegt sich, Walter!« Liesel schrie es heraus. Vor Angst und Panik war sie fast von Sinnen. Sie hatte es jetzt ganz deutlich gesehen. Die Mumie drückte sich hoch, richtete sich auf. Die dicken Muskelstränge unter der mumifizierten Haut waren deutlich zu erkennen. Die letzten Lehmschollen rutschten zur Seite. Das Wesen stand nun auf seinen kurzen,
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