049 - Wenn der rote Hexer kommt
der Teufel, wieso ich mir einbildete, meine Heimat wäre nicht diese Welt.
Das ist doch verrückt! dachte ich wütend. Bin ich verrückt? fragte ich mich unsicher.
Nein, das konnte nicht sein. Das wäre meinen Freunden aufgefallen. Ich ging ins Wohnzimmer und ließ mich in einen Sessel fallen, und es wäre geprotzt gewesen, wenn ich behauptet hätte, daß es mir gutging.
***
Natürlich brauchte Mr. Silver keine Angst vor den Hunden zu haben. Er hätte sie jederzeit töten können, doch das wollte er nicht, denn die Tiere taten nur ihre Pflicht.
Als sich die Tigerdoggen abstießen, schützte sich der Ex-Dämon mit einer magischen Silberstarre. Gestreckt flogen die kräftigen Hundekörper durch die Luft. Knurrend rissen sie die Schnauzen auf. Was vor wenigen Augenblick noch Fleisch gewesen war, wurde jetzt zu purem Silber.
Die Hunde prallten gegen den Körper des Hünen, und ihre Reißzähne schrammten über Metall. Ein Geräusch entstand, das einem Menschen durch Mark und Bein gegangen wäre.
Dann landeten die Tigerdoggen auf dem Boden. Einer der Hunde spürte die übernatürlichen Kräfte des Ex-Dämons und nahm winselnd und kläffend mit eingezogenem Schwanz Reißaus, doch das andere Tier schnellte sofort wieder hoch und schnappte nach Mr. Silvers Kehle.
Der Hüne fing den Hund mit seinen Silberhänden ab, krallte die harten Finger in das Fell und würgte ihn. Die Tigerdogge warf sich hin und her, bäumte sich auf und versuchte freizukommen, doch Mr. Silver ließ den Hund erst los, nachdem er erschlafft war. In wenigen Minuten würde das Tier wieder auf die Beine kommen. Bis dahin aber brauchte Mr. Silver nicht zu befürchten, daß ihn der Hund verfolgte.
Er lief weiter, erreichte die Mauer und sprang an ihr hoch. Der Wächter, der nicht verstehen konnte, daß einer der beiden Hunde gekniffen hatte, tauchte neben den Fliederbüschen auf.
Als er den reglosen Hund auf dem Boden liegen sah, packte ihn die kalte Wut. Mr. Silver schwang sich über die Mauer, und der Mann verschoß sämtliche Patronen. Einige Kugeln hieben in die Mauer, bohrten Löcher in den Kratzputz. Der Rest ging über die Mauerkrone. Getroffen wurde Mr. Silver von keinem einzigen Projektil.
Wenn der Wächter den Ex-Dämon erwischt hätte, hätte er höchstwahrscheinlich an seinem Verstand gezweifelt. Auch Kugeln konnten dem Hünen nichts anhaben. Mr. Silver war schließlich kein Mensch.
***
Sie saßen in einem kleinen Pub und tranken Ginger Ale. »Mir steckt der Schreck immer noch ziemlich tief in den Knochen«, gestand Ken Elliott. »Du hattest großes Glück. Accon hält seine Hand schützend über dich. Eigentlich wärst du an meiner Stelle dran gewesen. Der Werwolf hätte dich niedergeschlagen.«
Ian Warner nickte ernst. »Ich bin Accon sehr dankbar, daß er mich davor bewahrte. Aber es tut mir natürlich leid, dich gebeten zu haben, mich zu vertreten.«
»Hör mal, du konntest doch nicht ahnen, was geschieht. Vergiß es, Ian. Wenn ich Glück habe, werde ich bald dein Bruder sein, dann hält Accon seine schützende Hand auch über mich.« Ken Elliott nahm einen Schluck, ließ die Flüssigkeit in seiner trockenen Mundhöhle kreisen und schluckte sie. Kopfschüttelnd meinte er: »Werwölfe in London! Und das am hellichten Tag! Ich dachte, das wären Geschöpfe der Finsternis. Vollmond… ein einsamer, ruheloser Mensch … plötzlich packt es ihn … das Grauen bricht aus ihm hervor, und er wird zur reißenden Bestie. So sieht man es zumindest immer im Kino.«
»Accon kennt die Geheimnisse des Bösen«, sagte Ian Warner.
»Kennst du sie auch?« fragte Ken Elliott.
»Ich werde sie kennen, wenn ich eins geworden bin mit Accon.«
»Vielleicht erfahre ich sie eines Tages auch«, sagte Elliott verträumt.
»Deine Chancen stehen nicht schlecht«, sagte Warner.
Elliott richtete sich mit einem jähen Ruck auf. »Tatsächlich? Wie meinst du das, Ian?«
»Ich habe mit dem Stellvertreter gesprochen«, sagte Warner. Ein Mädchen im ledernen Minirock ging an ihrem Tisch vorbei. Sie warf Warner einen interessierten Blick zu, doch er wandte sich ab.
Elliotts Augen leuchteten wie Glühbirnen. »Du… du hast wirklich mit dem Stellvertreter gesprochen? Wann denn?«
»Ich habe ihn angerufen.«
»Und?« fragte Ken Elliott so nervös, daß er sein Ginger Ale beinahe verschüttet hätte. »Was hat er gesagt? Nun komm schon, Ian, erzähl’s mir! Spann mich nicht so lange auf die Folter.«
»Er will dich sehen«, sagte Ian Warner leise.
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