049 - Wenn der rote Hexer kommt
»Mann!« rief Elliott begeistert aus. »Mann, das ist ja großartig. Phänomenal ist das! O Ian, ich bin dir ja so dankbar. Ich würde dir am liebsten um den Hals fallen. Bruder! «
Warner hob abwehrend die Hände. »Noch ist es nicht soweit. Der Stellvertreter möchte dich lediglich sehen, das bedeutet noch nicht, daß du Accons Sohn wirst. Er wird mit dir reden und sich ein Bild von dir machen.«
»Hast du ihm nicht von mir erzählt? Du kennst mich immerhin schon ein Jahr lang. Wir sind fast täglich zusammen.«
»Natürlich vertraut mir der Stellvertreter. Wir wissen, daß wir uns alle bedingungsloses Vertrauen entgegenbringen können. Dennoch behält es sich der Stellvertreter vor, sich seine eigene Meinung über einen Neuen zu bilden.«
Elliott kämmte sich das rote Haar mit den Fingern. »Was muß ich sagen, Ian? Gib mir einen Tip.«
»Das ist nicht nötig, denn der Stellvertreter ist nur an der Wahrheit interessiert. Wenn du nicht aufrichtig zu ihm bist, wird er es merken.«
»Selbstverständlich werde ich aufrichtig sein«, beeilte sich Ken Elliott zu sagen. »Wie soll ich mich verhalten, wenn ich ihm gegen- übertrete? Soll ich still sein und nur sprechen, wenn ich gefragt werde? Ich möchte nichts falsch machen, Ian, verstehst du das? Es liegt mir ungemein viel daran, Mitglied eurer Sekte zu werden.«
»Benimm dich ganz natürlich, damit beeindruckst du den Stellvertreter am meisten.«
»Wie soll ich ihn ansprechen? Wie ist sein Name?«
»Sag Stellvertreter zu ihm, das genügt. Seinen Namen erfährst du erst, wenn du zu uns gehörst.«
»Ist mir recht. Mir ist alles recht, Ian. Wann soll ich den Stellvertreter aufsuchen? Heute noch? Oder… erst morgen?«
»Noch heute. Ich werde dich zu ihm bringen.«
»Du bist ein wahrer Freund, Ian. Wahrhaftig, das bist du.« Ken Elliott badete im Glück. Er ertrank beinahe darin.
***
Was Mr. Silver von seinem Besuch bei David McShane mit nach Hause brachte, war für mich sehr interessant. Der Mann war ein Sektierer. Da er Baupläne in seinem Tresor aufbewahrte, die für die Errichtung eines inzwischen vielleicht schon fertiggestellten Tempels gezeichnet worden waren, lag für mich die Annahme nahe, daß McShane sogar der Sektenführer war.
Gewiß entsprach das seinem Naturell. Er war auch Manager dieses Poloclubs.
An und für sich habe ich nichts gegen Sekten. Jeder soll auf seine Weise glücklich werden. Wenn jemand denkt, er könne seine Erfüllung nur als Mitglied einer Sekte finden – okay.
Die Regeln, nach denen »Accons Söhne« leben sollten, hörten sich gut an. Niemand konnte dagegen etwas einzuwenden haben. Wen störten schon sanftmütige, friedfertige, hilfsbereite Menschen?
Ich hätte mich keine Minute länger mit »Accons Söhnen« beschäftigt, wenn es heute morgen nicht zu diesem unschönen Zwischenfall gekommen wäre, dem ich einen Brummschädel verdankte, und dem Hanya Bums zum Opfer fiel.
Diese drei Polospieler hatten das Mädchen irgendwohin verschleppt, und wenn ich es mir recht überlegte, konnte ich mir durchaus vorstellen, daß sich Hanya Bums jetzt in diesem Marmortempel befand.
Ich sah mir das Aquarell genauer an. Im Hintergrund lag etwas Dunkles auf dem Boden. Graubraun. Ich wollte es mit der Lupe näher in Augenschein nehmen, aber da läutete das Telefon.
»Hallo, Tony«, sagte Tucker Peckinpah, der reiche Industrielle, mein Wegbereiter in vielen Fällen. Seine Beziehungen waren sagenhaft und umspannten den gesamten Erdball.
»Hallo, Partner«, sagte ich.
»Haben Sie Ihr Fernsehgerät eingeschaltet?«
»Nein. Läuft eine Peep Show?«
Peckinpah lachte. »Noch nicht, aber das kommt noch auf uns zu. Stellen Sie den Flimmerkasten mal an. Ich möchte, daß Sie sich ansehen, was die senden, und sagen Sie mir anschließend, was Sie davon halten.« Er nannte den Kanal, den ich wählen sollte.
»Okay«, sagte ich. »Ich rufe Sie nach der Sendung zurück.«
»Bin sehr gespannt, was Sie dazu sagen.«
Ich legte auf und begab mich zum Fernsehapparat. Als ich auf den Knopf drückte, sagte Mr. Silver: »Um diese Zeit guckst du schon in die Röhre? Was ist denn das für eine Arbeitsmoral?«
»Das gehört mit zur Arbeit«, sagte ich und setzte mich auf die Lehne eines Sessels. »Tucker Peckinpah will meine Meinung zu der laufenden Sendung hören.«
Der Ex-Dämon grinste. »Seit wann hast du denn eine eigene Meinung?« fragte er stichelnd, doch ich ging nicht darauf ein, denn auf dem Bildschirm erschien soeben ein Monster. Ein
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