049 - Wenn der rote Hexer kommt
durch die Zähne. »Da werden einige Leute in der Stadt ganz schön rotieren.«
»Mit Recht«, sagte Tucker Peckinpah. »Reizt es Sie als Privatdetektiv nicht, sich in diese Sache mit hineinzuhängen?«
»Nein, Partner. Ich habe selbst genug zu tun.«
»Das wußte ich nicht. Was läuft denn?«
Ich lieferte ihm einen sehr knappen Bericht und sagte, ich hoffe, ihm bald mehr erzählen zu können, dann legten wir auf. Oda sah Mr. Silver und mich mit ihren großen grünen Augen überrascht an.
Sie wollte eingehender informiert werden, und Mr. Silver legte ihr vor, was er sich in David McShanes Haus »besorgt« hatte.
Das Interesse des rothaarigen Mädchens zeigte mir, daß sie ganz gern mal wieder mitgemischt hätte. Eigentlich wäre es nicht nötig gewesen, daß Oda fast ständig bei Lance Selby war. Der Parapsychologe konnte ohnedies nicht weglaufen.
Er war wie tot.
Oda blieb trotzdem fast immer in seiner Nähe. Vielleicht hoffte sie insgeheim auf ein Wunder, das sich jedoch kaum einstellen würde.
Während Mr. Silver mit der weißen Hexe die fotokopierten Schriften durchging, sah ich mir wieder die Baupläne an.
Tucker Peckinpah rief noch einmal an. »Nur der Vollständigkeit halber, Tony«, sagte er, »soeben kam mir zu Ohren, daß diese ›Werwolf-Bande‹ heute nicht zum erstenmal aktiv war. So geht es nun schon das siebente Jahr. Bisher konnten die Verbrechen vertuscht werden. Man wollte vermeiden, daß die Menschen hysterisch werden.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Man konnte die Dinge noch so gut vertuschen, irgendwann erfuhr es der Industrielle doch. Ich fragte ihn nicht danach, wie er an diese Information gekommen war. Es sollte sein Geheimnis bleiben.
»Sieben Jahre, Tony«, sagte Tucker Peckinpah. »Und immer war es eine Dreier-Serie – so wie heute: der Juwelier, die Bank, der Geldtransporter.«
»Dann ist ja jetzt wieder Ruhe.«
»Das schon, aber es hat drei Tote gegeben, und die Medien haben sich auf diese Sache gestürzt. Die Polizei steht ab sofort unter Erfolgszwang. Ich möchte jetzt nicht in Inspektor Wallaces Haut stecken.«
»Ich auch nicht«, sagte ich.
»Tja, das wäre im Moment eigentlich alles, was ich anbringen wollte«, meinte der Industrielle.
»Ich danke Ihnen für die Information, Partner.«
»Schade, daß Sie damit nichts anfangen können«, sagte Peckinpah und beendete damit das Gespräch.
Vermutlich hätte er es gern gesehen, wenn ich mich dieses »Werwolf-Falles« angenommen hätte, aber mir lagen derzeit »Accons Söhne« und das Schicksal von Hanya Bums im Magen. Es hatte keinen Sinn, daß ich mich verzettelte. Ich mußte mich auf eine Sache konzentrieren.
Tut mir leid, Partner, dachte ich und drückte den Hörer in die Gabel.
Dann nahm ich das Aquarell zur Hand und prägte mir ein, wie der Tempel der Sektierer aussah. Ohne daß es mir bewußt wurde, kreisten meine Gedanken dabei um Tucker Peckinpahs Worte.
» Sieben Jahre, Tony. «
Dazu fiel mir die Formel ein, die mir Mr. Silver gezeigt hatte. Sie enthielt zweimal die Sieben. 7x7 hieß es da. Wenn mit der ersten Sieben die Jahre gemeint waren, was bedeutete dann die zweite Zahl?
Die »Werwölfe« sorgten immer nur für eine Dreierserie. Hätte in diesem Fall die Formel nicht 7x3 lauten müssen?
Jetzt erst, wurde mir klar, daß ich den »Werwolf-Fall« mit »Accons Söhnen« verquickte. Warum tat ich das? Ich hatte keine Veranlassung dazu. Was diese Verbrecher getan hatten, und womit ich mich beschäftigte, das waren doch zwei Paar Schuhe. Aus welchem Grund stellte ich eine Verbindung her?
Ich weiß nicht, wieso es mir plötzlich eiskalt über den Rücken rieselte. Immer noch betrachtete ich gedankenverloren das Aquarell.
Ohne daß es meine Absicht war, richtete sich mein Blick auf den Hintergrund des Bildes, dorthin, wo etwas Graubraunes auf dem weißen Marmorboden lag. Ich erinnerte mich, daß ich es näher in Augenschein nehmen wollte, als mich Tucker Peckinpah mit seinem Anruf störte.
Diesmal störte mich niemand. Ich stand auf, nahm die Lupe zur Hand und ging mit dem Aquarell zum Fenster. Sonnenlicht flutete auf das Blatt, und ich erkannte Einzelheiten, die mir zuvor nicht aufgefallen waren.
Mein Herz schlug schneller, und ich spürte meinen Puls in den Handgelenken klopfen. Das Graubraune waren Köpfe, zwar nicht leicht zu erkennen, aber doch Köpfe.
Werwolfschädel!
***
Hanya Bums saß zitternd auf dem glatten Marmorboden. Sie wußte nicht, wieviel Zeit seit ihrer Entführung
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