0491 - Der Blutjäger
Vampir begraben, sie…«
»Irrtum. Karin wurde gepfählt.«
»Nein, du…«
»Ich lüge nicht. Es war Franz, der Totengräber, der sie noch vor dem Begräbnis pfählte. Ihr habt eine Tote begraben, eine echte Tote, mein Lieber. Warst du da schon ein Vampir?«
»Nein!« keuchte er, »noch nicht. Ich lebte noch. Ich bin erst später gegangen, um mich mit ihm zu treffen.«
»Kam er?« fragte ich.
»Ja!« lautete die Antwort. »Er kam. Und wie er kam. Aus den finsteren Wolken flog ein gewaltiger Schatten auf mich zu. Ich wurde zu Boden gerissen, ich lag auf dem Rücken und freute mich, daß er mich beglückte. Er trank mein Blut, und es schmeckte ihm. Er machte mich als zweiten aus der Familie zu einem Vampir, und andere werden folgen, denn in dieser Nacht ist er wieder unterwegs. Er wird den Dorffriedhof mit Untoten füllen, um die großen alten Zeiten wiederkehren zu lassen. Es wird wunderbar werden, das kann ich dir versprechen.«
Ich glaubte ihm aufs Wort. Sicherlich hatte er recht, aber ich stand dagegen. Deshalb schüttelte ich den Kopf. »Nichts wird geschehen«, erklärte ich ihm. »Gar nichts. Deine Enkelin Eva ist gekommen und hat mich mitgebracht.«
»Wer bist du?«
»Ich komme aus London, und ich habe es mir unter anderem zur Aufgabe gemacht, Vampire zu jagen. Verstehst du?« Kalt lächelte ich ihn an, und er lauschte meinen Worten. Er war ein alter Mann, davon durfte ich mich jedoch nicht täuschen lassen. Als Vampir besaß er Kräfte, die jedem normalen Menschen über waren.
»Nun?« fragte ich ihn. »Was willst du jetzt tun? Dies ist die Nacht der Abrechnung. Nach Einbruch der Dunkelheit werde ich gehen und mir den Blutjäger holen. Du warst sein letztes Opfer!«
»Das kann dir nicht gelingen. Er ist stärker, viel stärker. Er ist…« Und plötzlich überraschte er mich. Ich hatte mich doch ein wenig ablenken lassen, denn mit einem blitzschnellen Sprung zur Seite, den ich ihm kaum zugetraut hatte, verschwand er in seinem Verlies. Ich hörte sein widerlich klingendes Lachen, das ich ignorierte und dagegen sprach.
»Es hilft dir nichts«, sagte ich beim Vorgehen und dachte auch an seine Spitzhacke. »Ich werde dich kriegen…«
Das letzte Wort schon ging im ersten krachenden Schlag unter. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, was geschehen war. Der Vampir hämmerte mit seiner Spitzhacke gegen die morschen Balken.
Jetzt wurde es Zeit.
Um das Verlies betreten zu können, mußte ich mich ducken. Ich wollte ihn mit einer geweihten Silberkugel erledigen, sprang in die Staubwolke hinein, die durch die offenstehende Tür quoll, sah den Blutsauger als Schatten und hörte über mir das Krachen.
Schießen oder verschwinden!
Ich entschied mich für den Weg nach hinten, warf mich zurück, und es war mein Glück.
Gleichzeitig mit meinem Sprung kam der Segen von oben. Der Balken, das Mauerwerk, eingehüllt in Staubund Mörtelwolken, krachten zusammen. Ich lag am Boden, rollte mich weiter und schützte meinen Kopf, um von den Brocken nicht verletzt oder erschlagen zu werden.
Einiges bekam ich trotzdem mit. Meine Beine wurden erwischt. Ein verdammter Balken legte sich quer. Mochte er noch so morsch sein, er war auch gleichzeitig schwer. Steine prallten neben mir auf, rollten weiter. Staub hüllte mich ein, ich konnte mich nicht mehr weiter zurückziehen, weil mich der querliegende Balken festklemmte. Ich mußte abwarten, bis sich das Chaos gelegt hatte.
In die dumpfen und knirschenden Geräusche hinein schnitt das Lachen des Blutsaugers wie der böse Klang einer Kreissäge. Er befand sich auf der Siegerstraße, er wollte gewinnen, und er hatte es tatsächlich geschafft, mich zu überlisten.
Plötzlich wurde es still. Ein letztes Nachrieseln noch, ein Knacken, aber es fielen keine Mauer- oder Deckenbrocken mehr nach unten, auch keine Balken.
Ich lag auf dem Rücken und noch halb auf der Seite. Als ich die Augen öffnete, konnte ich nichts sehen. Der gesamte Kellergang war eingehüllt in eine Staubwolke, dicht wie Londoner Herbstnebel.
Ich schmeckte das Zeug auf der Zunge, es klebte in meinem Gesicht, hing an den Augenlidern und lag wie ein Anstrich auf meiner Kleidung.
Ich bewegte mein rechtes Bein. Das klappte besser, als ich gedacht hatte. Leider hing das linke fest, was mir überhaupt nicht gefiel. Der Staub senkte sich nur allmählich. Mein Blick klärte sich. Ich sah es nicht, aber oben an der Treppe war Eva erschienen. Ihre schrille Stimme gellte in den Keller.
»John, was ist
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