0491 - Der Blutjäger
passiert?«
»Bleib oben, Eva!«
»Was ist denn?«
»Verdammt, dein Großvater hat mich überlistet.«
»Wie konnte das geschehen?«
Eva bekam von mir keine Antwort mehr, denn ich konzentrierte mich auf die Geräusche, die aus dem zusammengefallenen Verlies an meine Ohren drangen. Dort lagen auch Trümmer, aber zwischen ihn bewegte sich jemand. Das war Emil Leitner.
Die Staubwolken hatten sich noch nicht so stark verflüchtigt, als daß ich hätte alles sehen können.
Aber ich konnte wenigstens in das Verlies hineinschauen, wo Balken, Steine und Mauerreste durcheinanderlagen und ein Hindernis bildeten.
Etwa in der Mitte bewegte sich etwas. Steine kollerten vom kleinen Hügel nach unten. Und das nur deshalb, weil sie von unten her Druck bekommen hatten.
Dort kroch jemand hervor.
Es war der Vampir. Zuerst sah ich nur eine Hand, die einige Steine zur Seite drückte. Dann schob sich der Arm hervor, eine Schulter, der Kopf. Alles staub- und dreckverkrustet und auch eingerissen, weil fallende Steine im Schädel des Vampirs Löcher und Wunden hinterlassen hatten, aus denen kein Blut rann.
Er war blutleer, deshalb brauchte er unbedingt neue Opfer. So wie er sich unter den Trümmern hervorschob, glich er einer furchtbaren Horrorgestalt, und er brachte auch seine verdammte Spitzhacke mit.
Ich hatte meine Waffe verloren. Erst jetzt merkte ich das. Sie mußte mir aus der Hand gerutscht sein.
Ich lag zwar eingeklemmt, doch mit einigen Tritten würde es mir gelingen, mich wieder hervorzuwinden. Nur ließ mich der Blutsauger dazu nicht kommen.
Er besaß durch seine übermenschlichen Kräfte die Chance, die Trümmer mit einer spielerisch anmutenden Leichtigkeit zur Seite zu schleudern. Wenige Sekunden später schon kniete er zwischen den Steinen und Balken, drehte den Kopf und sah mich.
Zwischen mir und ihm befand sich noch ein dünner Vorhang aus Staub. Trotzdem sah ich sein Grinsen. Die Haut in seinem Gesicht verzog sich wie Gummi, er sah mich unter den Balken liegen und erkannte auch meine Versuche, mich zu befreien.
Das rechte Bein bekam ich frei. Ich winkelte es an und stieß mit dem Fuß gegen den quer über mir liegenden Balken. Er bewegte sich nur ein wenig zur Seite - zu wenig…
Der Vampir war im Vorteil.
Er stemmte sich hoch und brachte gleichzeitig seine Spitzhacke in eine schlagbereite Haltung. Noch war er von mir zu weit entfernt, falls er die Hacke nicht werfen wollte, aber, nach zwei kleinen Schritten konnte er mich erreicht haben.
Ich schaute nach der Beretta.
Verdammt, ich sah sie, aber sie lag einfach zu weit entfernt, als daß ich an sie hätte herankommen können. Dazu hätte ich schon einen Gummiarm gebraucht.
Der Untote kicherte schrill in wilder Vorfreude. Er setzte sich in Bewegung. Dabei schwankte er rutschend den Trümmerhügel hinab, die Spitzhacke schlagbereit erhoben.
In der nächsten Sekunde mußte mir etwas einfallen. Die Zeit, den Silberdolch hervorzuholen, hatte ich nicht mehr. Ich lag ausgerechnet auf der Seite, wo er steckte.
Dafür fand meine rechte Hand einen Ziegelstein. Bevor der Vampir noch zuschlagen konnte, warf ich den Stein - und hatte gut gezielt.
Er bekam den Brocken vor die Brust!
Ich hörte den dumpfen Schlag, der schon einem Echo gleichkam. Der Vampir kippte zurück. Er riß seine Arme in die Höhe und verschwand im Verlies. Die Spitzhacke klirrte gegen irgendwelches Gestein, ich hatte eine Galgenfrist bekommen und würde den Dolch endlich ziehen können.
Da hörte ich Schritte.
Nicht der Vampir kam, sondern Eva Leitner, die sich in den Keller getraut hatte.
»John!« keuchte sie. »Was ist…?«
»Verschwinde!«
»Nein.« Sie kam näher und schlich um mich herum. Inzwischen kam der Blutsauger wieder hoch.
Wir beide hörten sein wütend klingendes Stöhnen und Ächzen.
Ein Schatten fiel über mich. Eva stand jetzt dicht neben mir, und sie sah auch die Beretta. Erst als sie sie aufgehoben hatte, bemerkte ich, was Eva in der Hand hielt.
»Suchst du die?« fragte sie.
»Und wie.«
Der Vampir erschien wieder. Diesmal hielt er den Griff der Spitzhacke mit beiden Händen fest.
»Soll ich?« fragte Eva.
»Nein, das ist meine Sache.« Ich wollte ihr so etwas nicht zumuten und streckte meinen rechten Arm aus. Sie drückte mir die Pistole in die Rechte, als der Blutsäuger gerade ausholte.
Ich feuerte.
Der peitschende Klang ließ ihn zusammenschrecken. Seine Augen weiteten sich, während er von der Wucht des Treffers zurückgeschleudert wurde und im
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