0491 - Der Blutjäger
ihren Plan geändert haben konnte und dorthin geflogen war, wo ihre Chancen, Menschen zu überfallen, besser standen.
Wind fegte über die Höhen und fuhr durch mein Gesicht. Er trocknete den Schweiß, doch meine innere Unruhe blieb.
Das Rauschen des Windes wurde plötzlich von einem anderen Geräusch übertönt. Es war kein schriller Schrei, vielleicht ein anderer Wirbel, und ich hörte Eva Leitners Schrei.
»John, hinter dir!«
Ich wirbelte herum. Das schrille Schreien klang mir entgegen, und plötzlich griff der Blutjäger zu…
***
Er bekam mich zu packen. Nicht mit seinen verdammten Blutzähnen, sondern mit den Krallen. Etwas Unwahrscheinliches passierte. Die Bestie hatte ihre Krallen nicht in den Stoff meiner Jacke geschlagen, sondern das Seil zu fassen bekommen, das über meiner Schulter hing. Es riß daran und wollte eigentlich mich in die Höhe ziehen.
Ich taumelte auch vor, aber das Seil löste sich plötzlich aus seiner Rundung, so daß es aussah, als würde ich an einer langen Leine hängen und hinter dem Blutsauger herlaufen.
Das hatte die Fledermaus noch nicht gecheckt.
Ich schoß im Laufen.
Und diesmal traf ich. Mehrere Silberkugeln jagte ich in die schwarze Gestalt des Blutjägers. Ich traf die Flügel und hoffte auch, den hinteren Kopf zu erwischen, war mir aber nicht sicher.
Dafür vernahm ich die schrillen Laute, die über die Höhen gellten und das unkontrollierte Flattern der Schwingen. Sie bewegten sich arhythmisch, ein Zeichen dafür, daß ich die Fledermaus angeschossen und auch verletzt hatte.
Konnte sie noch fliegen?
Ich stemmte mich gegen ihren Flug, packte das Seil und schleuderte es über meinen Kopf hinweg.
Jetzt war ich frei.
Der Blutjäger aber sackte nach unten. Wie ein schwerer Stein kippte er dem Untergrund entgegen, konnte sich aber noch fangen und flog weiter. Nur berührten die Ränder seiner Schwingen bereits die Erde, wenn er sich bewegte.
Ich hetzte ihm nach.
Jetzt endlich hätte ich die Chance, ihn endgültig zu bekommen und seinem schändlichen Treiben ein Ende zu bereiten.
Der Blutjäger wand sich auf dem Boden. Er schlug mit den Schwingen um sich und hatte meine hart stampfenden Schritte wohl gehört, denn er bewegte sich plötzlich und drehte sich schwerfällig um.
Das alles geschah sehr langsam. Ich bekam noch Zeit, mich mit dem Dolch zu bewaffnen. Die schmale Silberkette hing um meinen Hals. Bei jeder Bewegung schaukelte das daran hängende Kreuz hin und her.
Die Fledermaus wollte wieder hoch. Sie hatte mir ihr Gesicht zugewandt. Ein großer, widerlicher, häßlicher Kopf, zu Dreivierteln aus Maul bestehend, mit nadelspitzen Reißzähnen, aber nur einem Auge darüber.
Ich feuerte im Laufen meine letzte Kugel auf den Schädel ab, traf nur die Schwinge. Ein klatschendes Geräusch erklang, als das geweihte Silbergeschoß ein Loch hineinriß und die Bestie noch mehr schwächte. Sie versuchte alles, ihre Schreie klangen irgendwie angsterfüllt.
Dann war ich bei ihr.
Mit einem wuchtigen Satz warf ich mich auf sie. Den rechten Arm hatte ich dabei erhoben. Die Klinge des geweihten Silberdolchs beschrieb einen Bogen, als sie von oben nach unten fuhr, wie ein tötender Halbmond.
Das Gesicht starrte zu mir hoch.
Dann nicht mehr.
Ich war über die Blutbestie gefallen und mit mir auch der geweihte Silberdolch.
Sekundenlang blieb ich liegen. Das Kreuz bekam ebenfalls Kontakt. Der Gegendruck unter mir verschwand in Etappen, ein Zeichen dafür, daß der Blutjäger sich auflöste. Ihm war das Los aller alten Vampire beschert. Sekunden später bekam ich es zu sehen. Ich hatte mich wieder aufgerichtet und schaute zu, wie die Flügel zerbrachen, zu einer grauen Masse wurden, die regelrecht zusammenschmolz, um sich dann aufzulösen, so daß nur mehr grauer Staub zurückblieb.
Aus, vorbei.
Was möglicherweise über Jahrhunderte Bestand gehabt hatte, war in wenigen Sekunden ausgelöscht worden.
Ich konnte zufrieden sein…
***
Und auch Eva Leitner war es, die den Wagen verlassen hatte und mir entgegenschaute, als ich auf sie zukam. Sie sah an meinem lächelnden Gesicht, daß ich der Gewinner war und wollte ebenfalls lächeln, doch es wurde ein erleichterndes Schluchzen daraus.
»Bald wäre es schiefgegangen!« flüsterte sie. Ihre Hände fanden meine Schultern, sie preßte sich an mich, und es tat gut.
Für eine Weile blieben wir so stehen. Ich schaute in den dunklen Himmel, wo nur mehr die Wolken große Schatten bildeten, aber keine Riesenfledermaus
Weitere Kostenlose Bücher