0498 - Die Totentänzerin
würde sich alles langsamer bewegen. Die Menschen, die Autos, einfach alles.
Das Wetter wurde für viele Menschen zur Qual.
Die Abgase wollten nicht richtig verschwinden. Auch wir schoben uns in der Blechlawine voran.
Eisdielen und Lokale mit Plätzen im Freien hatten Hochbetrieb. Wer es eben ermöglichen konnte, hockte draußen und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein.
Das Geschäftshaus, in dem unser Ziel lag, konnten wir einfach nicht übersehen. Seine Fassade lag im Sonnenlicht. Die getönten Scheiben blinkten wie helle Signale. Auch die Rahmen aus Aluminium gaben das auf sie fallende Licht zurück.
Wir suchten nach einem Parkplatz. Es war schwer, hier eine freie Stelle zu finden. Wir rollten mit dem Wagen bis dicht an das Haus heran, denn an seiner Rückseite konnten wir den Rover abstellen.
Mit Ach und Krach erwischten wir noch eine freie Stelle und waren kaum ausgestiegen, als sich uns ein etwa zehnjähriger Junge näherte. Er trug eine Turnhose, T-Shirt und Sandalen. Seine dunklen Augen schauten mißtrauisch. In der rechten Hand hielt er einen Umschlag.
»Sind Sie Mr. Sinclair?« sprach er mich an.
»Ja.«
»Ich habe etwas für Sie.« Er reichte mir den braunen Umschlag und wartete ab.
Klar, daß er ein Trinkgeld haben wollte, aber so leicht machte ich es ihm nicht. »Wer hat dir den Umschlag gegeben?« wollte ich wissen.
»Ein Mann.«
»Wie sah er aus?«
»Weiß ich nicht.«
»Du mußt dich doch an etwas erinnern können«, sagte Suko. »An sein Gesicht, an seine Kleidung…«
»Nicht an das Gesicht, Mister. Es war irgendwie komisch. Ganz blaß und wie ohne Haut.«
Suko und ich wußten Bescheid. Einer der fleischfarbenen Maskenträger hatte dem Jungen den Umschlag überreicht. »Was sagte er zu dir?« fragte ich ihn.
Der Kleine trat von einem Fuß auf den anderen. Die Sohlen seiner Sandalen hinterließen klackende Geräusche auf dem Boden. »Er hat gesagt, daß ich Ihnen den Umschlag geben soll. Sie wüßten dann schon Bescheid und würden mir sicherlich einen Botenlohn zukommen lassen.«
»Den kannst du haben. Hast du gesehen, in welch einen Wagen er gestiegen ist?«
»Nein, er war zu Fuß.«
Ich nickte, holte ein paar Münzen aus der Tasche und legte sie ihm in die Hand. »Bitte.«
»Danke, Mister.« Der Kleine verschwand.
Noch am Wagen stehend riß ich den Umschlag auf. Die Sonne brannte mir in den Nacken. Ich fühlte mich nicht gut. In meinem Kopf spürte ich stechende Schmerzen.
Im Umschlag fanden wir einen Zettel. In Druckbuchstaben war die an uns gerichtete Botschaft geschrieben worden, die ich halblaut vorlas. »Wenn euch das Leben der Glenda Perkins etwas wert ist, dann geht und bringt uns die Totentänzerin. Holt sie aus dem Tempel, alles andere erledigen wir. Ihr habt nicht viel Zeit. In der Nacht wollen wir die Tänzerin haben. Denkt an die Frau.«
Ich ließ den Zettel sinken.
Suko hob die Schultern. »Sorry, aber damit kann ich nicht viel anfangen, John.«
»Ich auch nicht.«
»Jedenfalls wollen sie eine Totentänzerin haben.«
»Das wußten wir schon vorher.«
»Nicht daß wir sie entführen sollten.«
»Stimmt auch wieder.«
»Totentänzerin«, sinnierte Suko. »Ich habe auch das Gefühl, als würde uns das alte Ägypten nicht loslassen. So etwas gab es doch bei diesem Volk.«
»Ja, soviel ich weiß, tanzten diese Frauen bei den Beerdigungsritualen der Pharaonen und Mächtigen. Man hat sie auch auf Wandmalereien abgebildet gesehen.«
»Hast du je etwas über magische Bedeutungen dieser Tänzerinnen gehört?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie selbst waren wohl nicht magisch begabt. Sie kannten eben die alten Tänze, die Rituale. In ihrem Fach waren sie schon etwas Besonderes.«
Suko schabte über sein Kinn, wo bereits wieder die ersten Bartstoppeln wuchsen.
»Ich suche nach einer Verbindung zwischen der Totentänzerin und diesen Leuten von Crystal Power. Meinst du, daß es die gibt, John?«
»Das muß ja.«
Der Inspektor schaute an der Fassade hoch. »Ja, irgendwo dort oben hinter den Fenstern. Laß uns das Ding mal von innen besichtigen.«
Dagegen hatte ich nichts. Dieses Haus war noch nicht alt. Es wirkte wie ein Gegenstand aus einem Zukunftsfilm. Als wir vor dem Eingang standen und noch einmal hochschauten, bekam ich den Eindruck, als würde sich die glänzende Außenhaut des hohen Gebäudes in der zittrigen Luft bewegen und auf uns niederfallen.
Das breite Eingangsportal war nicht verschlossen. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.
In
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