0498 - Die Totentänzerin
ihre persönlichen Kristalle standen.
Sie alle trugen diese weiße Kleidung. Die Männer hatten sich die Gewänder kurzerhand über ihre sommerliche Straßenkleidung gestreift. Für uns hatten sie keinen Blick. Sie meditierten vor ihren Kristallen. Einige hatten die Hände darumgelegt, als wollten sie die Kraft und die Macht vollständig auskosten.
In der Mitte des hallenartigen Raumes stand ein runder Tisch. Er bot Platz für sechs Personen, aber nur drei umsaßen ihn und schauten auf den großen, blaugrünen Funkelstein, als wollten sie aus ihm die Weisheit durch ihre gespannten Blicke heraussaugen.
»Da wäre noch ein Plätzchen für uns frei«, hauchte Suko.
Ich war einverstanden.
Wir trennten uns und kamen von zwei verschiedenen Seiten auf den runden Tisch zu. Die Gruppe bestand aus zwei Frauen und einem Mann. Die Frauen waren nicht mehr so jung, gutes Mittelalter, würde ich schätzen, und sie befanden sich in einem Zustand, der schon mit der Trance zu vergleichen war.
Ich empfand es schon als störend, als ich den Stuhl näher an den Tisch zog, um mich zu setzen.
Suko saß bereits. Er nickte mir zu und legte einen Finger auf die Lippen.
Auch ich war einverstanden, vorerst keine Fragen zu stellen und abzuwarten. Möglicherweise ging die Kraft des großen Kristalls ja auch auf uns über.
Leider merkten wir nichts davon.
Suko und ich saßen in einer ungewöhnlichen Welt. Die Mitglieder dieser Vereinigung nannten sich Kristallritter, und der große hallenartige Raum kam mir auch vor wie eine Gralsburg, eingefaßt von einer ungewöhnlichen Musik der Glasharmonieklänge, der lichtschimmernden Kristalle und der weiß gewandeten Brüder und Schwestern.
Im Hintergrund sah ich Bewegungen. Da tanzten die Schatten erst über den Boden, danach auf halber Höhe und streiften auch über die mit Kristallen besetzten Wände.
Ich erkannte sehr undeutlich die Körper einiger Tänzerinnen. Die Mädchen oder Frauen gaben sich voll und ganz den Harmonieklängen der ungewöhnlichen Sphärenklänge hin.
Waren das die erwähnten Totentänzerinnen, oder gab es vielleicht eine besondere unter ihnen.
Mit dem Kopf gab ich Suko ein Zeichen. Er blickte ebenfalls zu den Tänzerinnen hinüber. Die drei anderen Personen am Tisch ließen sich durch unsere Bewegungen nicht stören.
Mein Freund hob einen Finger. Ich kannte das Zeichen. Ebenso lautlos wie wir unsere Plätze vorhin eingenommen hatten, standen wir auf. Der Boden bestand aus einer besonderen Masse. Sie war weich wie ein Teppich, ohne jedoch einer zu sein. Wir schritten über ihn hinweg, als würden wir schweben.
Allmählich schälten sich die drei grazilen Gestalten aus der Dunkelheit. Sie sahen anders aus als die übrigen Frauen. Ihre Oberkörper waren bloß, um die Hüften geschlungen, trugen sie weiße Röcke aus einem dünnen Stoff. Sie bewegten sich zwar vor uns, dennoch hatten wir das Gefühl, als würden sie mit ihren Füßen den Boden kaum berühren und darüber schweben.
Die Mädchen waren noch jung. Sicherlich keine zwanzig Lenze. Ihre Gesichter wirkten irgendwie gleich und auch starr. So als hätten sie sich nach einer bestimmten Methode geschminkt. Die sehr schlanken Körper führten stets die gleichen Bewegungen durch. Sie gingen mit einfachen Doppelschritten, wobei sie die Hände über dem Kopf zusammenlegten und einen Arm nach vorn erhoben. Dabei bewegten sie sich noch in den Hüften, leichte Drehungen, wie die Bauchtänzerinnen sie ebenfalls zeigten.
Suko flüsterte mir etwas zu. »Verstehst du den Sinn?«
»Nein.«
»Aber sie müssen etwas mit unserem Fall zu tun haben.«
Wir gingen noch näher an sie heran. Es war eine völlig andere Welt, in der sie lebten. Wahrscheinlich bemerkten sie nichts von ihrer Umgebung, sie waren voll und ganz auf ihren Tanz konzentriert.
Ich schob mich von der rechten Seite her an die letzte Tänzerin heran. Zusammen mit ihren beiden Partnerinnen gingen sie zwei Schritte vor, legten den gleichen Weg wieder zurück, drehten ihre Hüften und nahmen uns nicht zur Kenntnis.
Ich wollte sie etwas fragen, sie ansprechen, auch anfassen und hatte schon meinen rechten Arm ausgestreckt, als wir die scharfe Stimme hörten, die alles andere übertönte.
»Rührt sie nicht an!«
***
Die Tänzerinnen mußten den Befehl auch vernommen haben. Im Gegensatz zu uns schraken sie nicht zusammen, sie tanzten einfach weiter, als hätte es die Aufforderung nicht gegeben.
Eine männliche Person hatten wir bisher nicht entdeckt. Sie
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