0499 - Die Hexe von Stonehenge
gleich, ob mit oder ohne Trauschein. Aber sobald er eine andere hübsche Frau sah, machte er ihr prompt schöne Augen. Marsha war klar, daß sie sich mit ihm einen prinzipiellen Fremdgänger geangelt hatte, und trotzdem liebte sie ihn.
Im nächsten Moment glaubte Marsha, daß Shyreena ihre Gedanken lesen konnte, denn die Druidin sagte: »Keine Angst, Marsha! Ich hege keine Absicht, Ihnen Owen wegzunehmen; wir sind nicht einmal Freunde, sondern nur Bekannte, und in seinen Gedanken hat Owen mir schon mehrmals zu verstehen gegeben, daß ihm mein Gesicht zu streng ist. Außerdem mag er Katzen nicht. Aber wer mich lieben will, muß auch akzeptieren, daß nicht Menschen Herr in dieser Wohnung sind, sondern Luzifera.« Prompt hob die schwarze Katze den Kopf und gab einen kehligen Laut von sich.
»Hören Sie? Luzifera bestätigt es«, übersetzte Shyreena.
Marsha verkrampfte sich etwas.
»Kommen wir zum Thema Sonnenwendfeier zurück. Ich freue mich, daß Sie dabeisein wollen. Owen wird Ihnen sagen, was Sie zu tun haben, wenn Sie wirklich mitmachen wollen. Ich spüre, wie neugierig Sie sind zu erfahren, auf welche Weise wir für die Nichteingeweihte unsichtbar sein werden, aber das darf ich Ihnen leider nicht verraten. Sie sind innerlich noch nicht dazu bereit, dieses Wissen aufzunehmen; Sie sträuben sich gegen alles Übersinnliche. Sie sind eine Realistin. Das ist gut. So stehen Sie mit beiden Beinen fest auf der Erde, Marsha. Aber Sie können niemals eine Druidin werden. Sie sind zu ungläubig.« Sie machte eine kurze Kunstpause und fügte dann hinzu: »Phantasie ist wichtiger als Wissen.«
Fragend sah Marsha sie an, weil Shyreena ihr damit offenbar etwas sagen wollte.
»Das hat Albert Einstein gesagt«, erklärte Shyreena. »Ünd der war ganz bestimmt kein Magier, Marsha. Schade, daß Sie diese Phantasie nicht besitzen. Aber als Ehrengast werden Sie an unserer Veranstaltung teilnehmen können, und ich freue mich, wenn ich Sie im Kreis der Hängenden Steine begrüßen darf.«
Marsha schüttelte den Kopf. »Wieso ausgerechnet ich? Ich könnte mir vorstellen, daß Sie bei dieser geheimnisvollen Aktion eher jemanden gebrauchen könnten, der mit Leib und Seele dabei ist. Warum ausgerechnet eine ›ungläubige‹, und dann auch noch ausgerechnet mich?«
»Owen empfahl Sie. Warum sollten wir länger suchen? Marsha, mir ist es lieber, eine ›Ungläubige‹ zu ›bekehren‹, als einem Eingeweihten zu demonstrieren, was er ohnehin schon als normal empfindet. Bitte, darf ich Sie zur Feier empfangen? Owen wird Ihnen sagen, was Sie tun müssen, um Körper und Geist in unsere wundervolle Zeremonie zu integrieren.«
Marsah nickte.
Abermals erschauerte sie unter dem Blick der Katze. Das Tier schien sie nicht zu mögen. Marsha glaubte, von den spitzen Zähnen Luziferas durchbohrt zu werden.
Ausgerechnet Luzifera hieß das Biest! Der Name paßt! Wie eine kleine, vierbeinige Teufelin kam Marsha die Katze vor. Dabei hatte sie eigentlich nichts gegen Katzen. Owen war es, der sich mit diesen weichpfotigen Vierbeinern nicht anfreunden mochte. Diese Katze aber, die eigentlich seine Abneigung spüren mußte, ignorierte ihn völlig.
Als sie sich erhoben, um ihren Besuch bei der Druidin Shyreena zu beenden, spielte Marsha sekundenlang mit dem Gedanken, einen Annäherungsversuch zu wagen und die Katze zu streicheln. Aber Lucifera sah sie aus ihren fremdartig roten Augen so durchdringend an, daß Marsha von ihrem Vorhaben sofort wieder abließ.
Bei der Verabschiedung konnte sie sich aber eine Frage nicht verkneifen. »Shyreena, warum sind die Augen Ihrer Katze eigentlich rot?«
Shyreena zeigte sich erstaunt. »Rot? Wie kommen Sie darauf? Sie sind doch gelb.«
Dasselbe fragte Owen Briggs sie anschließend im Auto.
»Weil sie rot sind, und das ist bei einer Katze nicht normal!«
»Und weil das bei einer Katze nicht normal ist, wirst du dich wohl irren«, meinte Briggs. »Wenn du mich fragst -dieses Mistvieh hat gelbe Augen wie viele andere Katzen auch. Wie kommst du bloß auf rot? Bist du neuerdings farbenblind geworden?«
***
Bist du sicher, daß du die richtige Wahl getroffen hast? fragte die Katze. Sie wird nicht sonderlich schmackhaft sein.
»Was soll das, Luzifera?« fauchte Shyreena. »Du hast mir doch gestern erst gesagt, daß Besorgen von Nahrung sei meine Sache! Also überlasse es gefälligst mir und misch dich nicht ein! Wenn du Ansprüche stellen willst…«
Die Katze legte die Ohren an; ihre Schnurrhaar zitterten
Weitere Kostenlose Bücher