05 - Denn bitter ist der Tod
Lynley.
Weaver schneuzte sich und steckte das Taschentuch ein. »Ich rufe in meinem Büro im College an«, sagte er und ging zum Schreibtisch. Er schaltete den Bildschirm ein, tippte eine Nummer in das Telefon ein und gab auf dem Modem eine Anweisung ein.
Wenig später erschien auf dem Bildschirm eine dünne horizontale Linie, die ihn in zwei Felder aufteilte. Im unteren erschienen die Worte: Hier Jenn.
»Ein Kollege?« fragte Lynley.
»Adam Jenn, mein Doktorand.« Weaver tippte schnell. Der Text erschien im oberen Feld des Bildschirms. Hier Weaver, Adam. Ich möchte nur einem Polizeibeamten das Schreibtelefon zeigen. Elena hat es gestern abend benutzt.
In Ordnung, hieß es im unteren Feld des Bildschirms. Soll ich am Apparat bleiben? Möchten Sie etwas Besonderes demonstrieren?
Weaver warf Lynley einen fragenden Blick zu. »Nein, das reicht schon«, sagte Lynley. »Ich sehe, wie es funktioniert.«
Nicht nötig, tippte Weaver.
Okay, kam es zurück. Und dann: Ich bin den ganzen Abend hier, Dr. Weaver. Und morgen den ganzen Tag. So lange Sie mich brauchen. Bitte machen Sie sich keine Sorgen.
Weaver schluckte. »Netter Junge«, flüsterte er und schaltete den Bildschirm aus.
»Was hat Elena Ihnen gestern abend mitgeteilt?« fragte Lynley Justine Weaver.
Sie stand immer noch an der Tür, eine Schulter am Pfosten. Sie starrte auf den Bildschirm, als könnte sie sich so besser erinnern. »Sie schrieb nur, daß sie heute morgen nicht laufen würde. Sie hatte manchmal Schwierigkeiten mit ihrem linken Knie. Ich nahm an, sie wollte es ein, zwei Tage schonen.«
»Um wieviel Uhr hat sie angerufen?«
Justine runzelte nachdenklich die Stirn. »Es muß kurz nach acht gewesen sein. Sie hat nach ihrem Vater gefragt, aber er war noch nicht aus dem College zurück. Ich schrieb ihr, er sei noch einmal ins College gefahren, und sie schrieb zurück, sie würde ihn dort anrufen.«
»Und hat sie das getan?«
Weaver schüttelte den Kopf und drückte den Zeigefinger auf seine bebenden Lippen.
»Sie waren allein, als sie anrief?«
Justine nickte.
»Und Sie sind sicher, daß es Elena war?«
Justines zarte Haut wurde eine Idee blasser. »Aber natürlich. Wer sonst -?«
»Wer hat gewußt, daß Sie beide morgens miteinander liefen?«
Ihr Blick eilte zu ihrem Mann und wieder zu Lynley. »Anthony natürlich. Und ich habe es wahrscheinlich ein oder zwei Kollegen erzählt.«
»Wo?«
»Im University Press Verlag.«
»Sonst noch jemand?«
Wieder sah sie ihren Mann an. »Anthony? Weißt du noch jemanden?«
Weaver starrte immer noch auf den Bildschirm des Schreibtelefons, als hoffte er, es käme ein Anruf. »Adam Jenn wahrscheinlich. Ich habe es ihm sicher erzählt. Und vermutlich ihre Freunde. Die Leute auf ihrem Flur.«
»Die Zugang zu ihrem Zimmer und ihrem Telefon hatten?«
»Gareth«, warf Justine ein. »Gareth hat sie es bestimmt erzählt.«
»Er hat auch ein Schreibtelefon.« Weaver sah Lynley scharf an. »Elena hat gar nicht angerufen, nicht wahr? Es war jemand anders.«
Lynley hatte den Eindruck, daß Weaver die Untätigkeit kaum noch aushielt - aus was für Gründen auch immer. »Das ist möglich«, stimmte er zu. »Aber es kann auch sein, daß Elena bloß einen Vorwand brauchte, um heute morgen allein zu laufen. Oder wäre das ganz und gar untypisch gewesen?«
»Sie ist mit ihrer Stiefmutter gelaufen. Immer.«
Justine schwieg. Lynley sah sie an. Sie wich seinem Blick aus. Das war Geständnis genug.
Weaver sagte: »Du hast sie überhaupt nicht gesehen, als du heute morgen gelaufen bist, Justine? Wie kommt das? Hast du nicht nach ihr geschaut?«
»Sie hat mich doch angerufen, Darling«, sagte Justine geduldig. »Ich habe gar nicht erwartet, sie zu sehen. Außerdem bin ich nicht am Fluß gelaufen.«
»Sie sind heute morgen auch gelaufen?« fragte Lynley interessiert. »Um welche Zeit?«
»Zur gleichen Zeit wie immer. Um Viertel nach sechs. Aber ich bin einen anderen Weg gelaufen.«
»Sie waren nicht beim Fen Causeway?«
Sie zögerte einen Moment. »Doch, ich war dort, aber erst am Schluß meiner Runde, nicht zu Beginn wie sonst. Ich bin in der anderen Richtung quer durch die Stadt gelaufen und dann von Osten nach Westen über den Causeway gekommen. In Richtung Newnham Road.« Mit einem kurzen Blick zu ihrem Mann straffte sie die Schultern, als müßte sie sich gegen irgend etwas wappnen. »Ehrlich gesagt, Inspector, ich laufe nicht gern am Fluß. Es macht mir keinen Spaß. Darum habe ich heute morgen die
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