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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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war... Sie trug das Halskettchen mit dem Einhorn daran, das ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Daher wußte ich sofort, daß es Elena war. Und selbst wenn das Einhorn nicht gewesen wäre... Ihr Mund war halb geöffnet, und ich habe ihren rechten Schneidezahn gesehen. Daran habe ich sie sofort erkannt. Der Zahn war angeschlagen. Da fehlte eine kleine Ecke.«
    Justine Weaver senkte die Lider und faltete ihre Hände im Schoß.
    Weaver nahm seine Brille ab. »O Gott! Ich kann nicht glauben, daß sie tot ist.«
    Die offensichtliche Qual des Mannes ließ Lynley nicht unberührt. Wie oft war er in den vergangenen dreizehn Jahren Zeuge ebensolcher Szenen gewesen? Und er fühlte sich noch genauso unfähig, den Schmerz zu lindern, wie damals bei seinem ersten Gespräch mit der hysterischen Frau, deren Ehemann im Suff ihre Mutter erschlagen hatte. Der einzige Trost, den er zu bieten hatte, war, diese Menschen nicht daran zu hindern, ihrem Schmerz Ausdruck zu geben.
    Weavers Augen waren feucht, als er weitersprach. »Sie war so zart. So empfindlich.«
    »Weil sie gehörlos war?«
    »Nein. Es war meine Schuld.« Als Weavers Stimme brach, sah seine Frau ihn kurz an, preßte die Lippen zusammen und senkte den Blick wieder. »Ich habe ihre Mutter verlassen, als Elena fünf Jahre alt war, Inspector. Sie werden das früher oder später sowieso erfahren, also sage ich es Ihnen am besten gleich. Sie lag in ihrem Bett und schlief. Ich habe meine Sachen gepackt und bin gegangen und nie wieder zurückgekehrt. Ich hatte keine Möglichkeit, einer Fünfjährigen - die mich ja nicht einmal hören konnte - zu erklären, daß ich nicht sie verließ, daß es nicht ihre Schuld war. Schuld trugen einzig Glyn, meine damalige Frau, und ich. Elena konnte nichts dafür. Ich habe sie verraten und im Stich gelassen. Damit hatte sie in den nächsten fünfzehn Jahren zu kämpfen - und natürlich auch mit dem Gefühl, es sei doch ihre Schuld. Die Folgen waren Zorn, Verwirrung, Mißtrauen und Ängste.«
    Lynley brauchte nichts zu fragen. Weaver redete ganz von allein, als hätte er nur auf eine passende Gelegenheit zur Selbstanklage gewartet.
    »Sie hätte nach Oxford gehen können - das wollte ihre Mutter -, aber sie entschied sich für Cambridge. Können Sie sich vorstellen, was das für mich bedeutete? Ihr ganzes Leben hatte sie mit ihrer Mutter zusammengelebt. Ich hatte mich bemüht, für sie da zu sein, aber Glyn hielt mich immer auf Distanz. Ein richtiger Vater durfte ich ihr nie sein. Das war meine Chance, ihr wieder näherzukommen, eine neue Beziehung zu ihr aufzubauen, ihr meine Liebe zu zeigen.
    Und ich war glücklich, als ich im Lauf des vergangenen Jahres spürte, wie die Bindung zwischen uns fester und enger wurde. Es gab für mich nichts Schöneres, als hier zu sitzen und zuzusehen, wenn Justine Elena bei ihren Aufsätzen half. Wenn diese beiden Frauen...« Er stockte. »Diese beiden Frauen in meinem Leben..., diese beiden Frauen zusammen, Justine und Elena, meine Frau und meine Tochter...« Und endlich gestattete er sich zu weinen. Es war das schreckliche Schluchzen eines Verzweifelten.
    Justine Weaver rührte sich nicht. Sie schien unfähig, sich zu bewegen. Einmal atmete sie tief durch, hob die Lider und richtete ihren blauen Blick auf das helle künstliche Feuer.
    »Soviel ich weiß, hatte Elena hier an der Universität zunächst Schwierigkeiten«, bemerkte Lynley, sich an Justine und ihren Mann zugleich wendend.
    »Ja«, antwortete Justine. »Die Umstellung... vom Zusammenleben mit ihrer Mutter und von London... auf das Leben hier...« Sie warf ihrem Mann einen unsicheren Blick zu. »Sie brauchte ein wenig Zeit, um...«
    »Wie hätte sie denn eine solche Veränderung ganz ohne Schwierigkeiten verarbeiten sollen?« fragte Weaver scharf. »Sie lag im Kampf mit sich selbst. Sie war auf der Suche. Sie hat ihr Bestes getan. Sie wollte sich selbst finden.« Er wischte sich das Gesicht mit einem zerknitterten Taschentuch und setzte seine Brille wieder auf. »Aber für mich hat das keine Rolle gespielt. Für mich war sie eine Freude. Ein Geschenk.«
    »Die Schwierigkeiten Ihrer Tochter haben Sie also nicht in Verlegenheit gebracht? Beruflich, meine ich.«
    Weaver starrte ihn an. Blitzartig wichen Schmerz und Verzweiflung in seinem Gesicht grenzenloser Fassungslosigkeit. Lynley machte diese schlagartige Veränderung stutzig. Er fragte sich, ob ihm hier etwas vorgespielt wurde.
    »Mein Gott«, stieß Weaver hervor. »Was wollen Sie damit

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