Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Gelegenheit genutzt, um eine andere Route zu laufen.«
    Deutlicher, dachte Lynley, würde Justine Weaver sich im Beisein ihres Mannes nicht über die Natur ihrer Beziehung zu seiner Tochter Elena äußern.
    Kurz nachdem der Inspector gegangen war, ließ Justine den Hund ins Haus. Anthony war nach oben gegangen. Er würde es nicht merken. Er würde vor morgen früh nicht wieder herunterkommen. Wem also tat sie etwas damit an, daß sie den Hund in seinem Korb schlafen ließ, den er gewöhnt war? Sie würde morgen in aller Frühe aufstehen und ihn hinauslassen, ehe Anthony etwas merkte.
    Es war unloyal von ihr, das wußte sie. Ihrer Mutter wäre es niemals eingefallen, den Wünschen ihres Mannes zuwiderzuhandeln. Aber der Hund tat ihr leid. Er war ein fühlendes Wesen, er war verwirrt und glaubte sich verstoßen. Er spürte, daß etwas nicht in Ordnung war, aber er wußte nicht, was es war.
    Als Justine die Hintertür öffnete, kam der Setter sofort, aber nicht mit übermütigen Sprüngen wie sonst, sondern zaghaft, als wüßte er, daß sein Willkommen zweifelhaft war. An der Tür sah er mit seinen braunen Augen hoffnungsvoll zu ihr auf und wedelte zweimal schüchtern mit dem Schwanz.
    »Ist ja gut«, flüsterte Justine. »Komm nur herein.«
    Das Klappern seiner Krallen auf den Küchenfliesen, als er diversen Gerüchen folgte, hatte etwas Gemütliches. Genau wie sein Kläffen und Knurren, wenn er spielte, sein Schnauben, wenn er Löcher grub und Erde in die Nase bekam, der tiefe Seufzer, mit dem er sich abends in seinen Korb fallen ließ, das leise Brummen, mit dem er um Aufmerksamkeit bettelte. In vieler Hinsicht war er wie ein Mensch, und das hatte Justine sehr überrascht.
    »Ich glaube, ein Hund wäre gut für Elena«, hatte Anthony im vergangenen Jahr gesagt, kurz bevor seine Tochter nach Cambridge gekommen war. »Victor Heringtons Hündin hat vor kurzem geworfen. Ich fahre mal mit Elena hin, dann kann sie sich einen von den Welpen aussuchen.«
    Justine hatte keine Einwände erhoben, obwohl sie guten Grund dazu gehabt hätte. Der Hund, der zweifellos Mühe und Schmutz machen würde, sollte ja nicht im St. Stephen's College bei Elena leben, sondern in der Adams Road. Aber die Vorstellung, einen Hund zu haben, lockte sie. Abgesehen von einem blauen Wellensittich, der ihrer Mutter blind ergeben gewesen war, hatte Justine nie ein Tier ihr eigen genannt - keinen Hund, der ihr treu hinterherzockelte, keine Katze, die sich nachts auf dem Fußende ihres Bettes zusammenrollte, kein Pferd, auf dem sie über die Wiesen Cambridgeshires hätte jagen können. Ihre Eltern waren gegen Tiere gewesen. Tiere trugen Schmutz ins Haus. Schmutz war unvereinbar mit der feinen Lebensart.
    Anthony hatte sie kennengelernt, nicht lange nachdem sie bei University Press als frischgebackene Lektoratsassistentin angefangen hatte. Man hatte ihr die Betreuung eines Buches über die Regierung Eduards III. übertragen. Anthony Weaver war der Herausgeber des Bandes gewesen, einer Sammlung von Aufsätzen aus der Feder renommierter englischer Mittelalter-Spezialisten. In den letzten zwei Monaten vor der Veröffentlichung hatten sie eng zusammengearbeitet - manchmal in ihrem kleinen Büro im Verlag, häufiger in seinen Räumen im St. Stephen's College. Und wenn sie einmal eine Arbeitspause eingelegt hatten, hatte Anthony erzählt: von seinem Werdegang, seiner Tochter, seiner ersten Ehe, seiner Arbeit, seinem Leben.
    Nie hatte sie einen Mann gekannt, der sich so virtuos mittels Sprache mitzuteilen verstand. In ihrer Welt bestand Kommunikation aus einem kurzen Hochziehen der Augenbrauen, einem flüchtigen Kräuseln der Lippen. War es ein Wunder, daß sie seiner Redefreude, seinem warmen Lächeln, seinem direkten Blick sofort verfallen war? Nichts hatte sie sich sehnlicher gewünscht, als Anthony zuhören zu können, und neun Jahre lang war ihr dieser Wunsch erfüllt worden, bis ihm die festumrissene Welt der Universität Cambridge zu eng geworden war.
    Der Setter zerrte einen alten schwarzen Socken aus seinem Korb und brachte ihn ihr, Aufforderung zum Spiel. »Heute abend nicht«, murmelte sie. »Komm, sei brav, geh in deinen Korb.« Sie kraulte ihm kurz den weichen Kopf, dann ging sie aus der Küche und schloß die Tür hinter sich. Im Eßzimmer hielt sie inne, um ein loses Fädchen zu entfernen, das von der Tischdecke herab hing, im Wohnzimmer, um das Gasfeuer auszuschalten und zuzusehen, wie die bläulichen Flammen zwischen den künstlichen Kohlen

Weitere Kostenlose Bücher