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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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schwarzer Kaffee fiel auf ihre Schulter herab.
    Lynley starrte sie an, wie sie da an der halb offenen Tür stand. Es war das Haar und es war das Profil, vor allem aber das Haar. Das war die Frau, die er am vergangenen Abend im Ivy Court gesehen hatte.
    Sobald sie die Tür geschlossen und abgesperrt hatte, lief sie zur Toilette. Sie rannte durch das Wohnzimmer, durch die Küche dahinter und schaffte es gerade noch. Sie fiel vor der Toilette nieder und übergab sich. Der Magen schien sich ihr umzudrehen, als ihr der Kakao, sauer und brennend, in der Kehle hochschwappte. Er schoß ihr in die Nase, als sie zu atmen versuchte. Sie hustete, würgte, übergab sich von neuem. Kalter Schweiß bedeckte ihre Stirn. Der Boden schien sich zu neigen, die Wände schienen zu schwanken. Sie drückte fest die Augen zu.
    Hinter sich hörte sie leises Winseln. Ein Stups an ihr Bein folgte. Dann berührte der weiche Kopf des Hundes ihren ausgestreckten Arm, und warmer Atem strich über ihre Wange.
    »Es ist schon gut, Flame«, sagte sie. »Keine Angst. Es geht mir schon wieder gut.« Die Augen immer noch geschlossen, griff sie nach dem Hund und drehte ihm ihr Gesicht zu. Sie hörte den rhythmischen Schlag seines Schwanzes an der Wand. Er leckte ihr die Nase. Der Gedanke ging ihr durch den Kopf, daß es für Flame keine Rolle spielte, wer sie war, was sie getan hatte, was sie geschaffen hatte, ob sie überhaupt einen einzigen Beitrag von Dauer an das Leben geleistet hatte. Es spielte keine Rolle für Flame, wenn sie nie wieder einen Pinsel zur Hand nahm. Der Gedanke hatte etwas Tröstliches. Daran wollte sie sich festhalten. Sie wollte glauben, daß es nichts mehr in ihrem Leben gab, was sie tun mußte.
    Ein wenig wacklig stand sie auf und ging zum Waschbecken, um sich den Mund zu spülen. Als sie den Kopf hob, sah sie ihr Gesicht im Spiegel und hob eine Hand. Sie zeichnete die Linien auf der Stirn nach, die feinen Kerben, die sich von den Nasenflügeln zum Mund zogen, das Netz kleiner, narbenähnlicher Fältchen unmittelbar oberhalb des Unterkiefers. Erst neununddreißig. Sie sah aus wie mindestens fünfzig. Und sie fühlte sich wie sechzig. Abrupt wandte sie sich ab.
    In der Küche ließ sie Wasser über ihre Handgelenke laufen, bis es eiskalt war. Dann trank sie direkt aus dem Hahn, warf sich noch einmal mit beiden Händen Wasser ins Gesicht und trocknete es mit einem gelben Geschirrtuch. Sie dachte daran, sich die Zähne zu putzen, sich hinzulegen und zu schlafen, aber es erschien ihr zu mühsam, in ihr Schlafzimmer hinaufzusteigen, viel zu mühsam, Zahnpasta auf eine Bürste zu drücken und die Bürste energisch und mit Druck durch den Mund zu führen. Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo das Feuer noch brannte und sich die Katze noch immer desinteressiert und mit sich selbst zufrieden in seiner Wärme aalte. Flame folgte ihr, stieg wieder in seinen Korb und sah ihr zu, wie sie frisches Holz ins Feuer warf.
    »Mir geht's gut«, sagte sie zu dem Hund. »Wirklich.«
    Er sah nicht überzeugt aus - schließlich wußte er die Wahrheit, da er das meiste mitangesehen und sie ihm den Rest erzählt hatte -, aber er drehte sich dennoch ein paarmal um die eigene Achse, scharrte kräftig in seiner Decke und ließ sich dann auf sie niederfallen. Die Lider sanken ihm herab.
    »So ist's gut«, sagte sie. »Schlaf eine Runde.« Sie war froh, daß wenigstens einer von ihnen dazu imstande war.
    Um sich von Gedanken an Schlaf und von alledem, was Schlaf unmöglich machte, abzulenken, ging sie ans Fenster. Ihr schien, daß mit jedem Schritt, den sie sich vom Feuer entfernte, die Temperatur im Zimmer um zehn Grad fiel. Sie wußte, daß das unmöglich so sein konnte, aber sie fror dennoch und umschlang ihren Oberkörper fest mit beiden Armen. Sie blickte hinaus.
    Der Wagen stand noch da. Das Silber der eleganten Karosserie funkelte in der Sonne. Wieder fragte sie sich, ob die beiden wirklich von der Polizei gewesen waren. Im ersten Moment hatte sie geglaubt, sie seien gekommen, um sich ihre Arbeiten anzusehen. Das war schon seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen und ohne Anmeldung nie, aber es schien ihr die einzige vernünftige Erklärung für das Erscheinen zweier Fremder in einem Bentley. Ein seltsames Paar, unharmonisch: der Mann groß, gutaussehend, kultiviert, erstaunlich gut gekleidet; die Frau klein, reizlos, ohne Stil, mit einer Sprache, die ihre Herkunft deutlich verriet. Und dennoch hatte Sarah sie sogar, nachdem sie sich vorgestellt hatten,

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