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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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unnötig.«
    »Sie studieren Maschinenbau?« fragte Lynley, und Randolph nickte. »Die technische Fakultät ist am Fen Causeway, nicht wahr? Haben Sie gewußt, daß Elena Weaver morgens immer diese Route gelaufen ist? Haben Sie sie mal laufen sehen? Sind Sie vielleicht einmal mit ihr gelaufen?«
    »Sie wollen glauben, daß ich sie getötet habe, weil sie mich abgewiesen hat«, antwortete Randolph. »Sie glauben, ich sei eifersüchtig gewesen. Sie sind schon davon überzeugt, daß ich sie getötet habe, weil sie mir einen anderen vorgezogen hat.«
    »Das wäre doch ein ziemlich handfestes Motiv, meinen Sie nicht?«
    Bernadette stieß einen Laut des Protests aus.
    Randolph sagte: »Vielleicht hat der Kerl sie umgebracht, der ihr das Kind gemacht hat. Vielleicht war er nicht so verrückt nach ihr wie sie nach ihm.«
    »Aber Sie wissen nicht, wer er war?«
    Randolph schüttelte den Kopf. Lynley hatte ganz deutlich den Eindruck, daß er log. Aber ihm fiel in diesem Moment kein Grund ein, weshalb Gareth Randolph hätte lügen sollen, zumal wenn dieser glaubte, daß der Mann, dessen Kind Elena erwartet hatte, auch ihr Mörder war. Es sei denn, er hatte die Absicht, selbst mit diesem Mann abzurechnen. Auf seine Weise.
    Noch während dieser Gedanke Lynley durch den Kopf ging, erkannte er, daß Randolph vielleicht noch einen anderen Grund hatte, nicht mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Wenn Elenas Tod, so sehr er ihn betrauerte, ihm gleichzeitig eine Art Genugtuung verschaffte, so gab es kaum ein besseres Mittel, den Genuß zu verlängern, als die Aufklärung des Mordes hinauszuschieben. Es kam ja gar nicht selten vor, daß ein verschmähter Liebhaber das Unheil, das der Geliebten zustieß, als verdiente Strafe betrachtete.
    Lynley stand auf und nickte dem jungen Mann zu. »Ich danke Ihnen«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
    An der Tür hing, was er zuvor nicht hatte sehen können, ein Überblickkalender für das ganze Jahr. Gareth Randolph hatte also, als Lynley ihm von Elena Weavers Schwangerschaft berichtet hatte, nicht zur Tür gesehen, weil er den Blickkontakt hatte vermeiden wollen.
    Er hatte die Glocken vergessen. Auch in Oxford hatten sie täglich geläutet, aber die Jahre hatten die Erinnerung verschüttet. Als er jetzt aus der Peterhouse-Bibliothek trat und den Rückweg zum St. Stephen's College antrat, begleitete ihn das Läuten der Glocken, die die Gläubigen zum Abendgottesdienst riefen. Es war, dachte er, eines der schönsten Geräusche im Leben. Er versuchte, seine ganze Wahrnehmung auf den Glockenklang zu konzentrieren, als er am alten, verwilderten Friedhof der Little St. Mary's Kirche vorüberging und in die Trumpington Street einbog, wo das Bimmeln von Fahrradglocken sich mit dem Lärm des Abendverkehrs mischte.
    »Fahr schon vor, Jack«, rief aus der Tür eines Lebensmittelgeschäfts ein junger Mann einem davonstrampelnden Radfahrer nach. »Wir treffen dich dann im Anchor.«
    »Okay!« Ein dünner Ruf, vom Wind zurückgetragen.
    Drei Mädchen kamen vorüber, in hitziger Diskussion über Robert, dieser Idiot. Ihnen folgte eine junge Frau mit klappernden hohen Absätzen, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Und dann wallte eine schwarzgekleidete Gestalt unbestimmbaren Geschlechts vorüber, aus deren voluminösen Gewändern, auf einer Harmonika gespielt, die klagenden Klänge von Swing Low, Sweet Chariot hervordrangen.
    Und die ganze Zeit hatte Lynley Bernadettes Stimme im Kopf, die den zornigen Worten Gareth Randolphs Laut gab: Wir wollen Ihr Gehör gar nicht haben. Aber das können Sie nicht glauben, nicht wahr? Weil Sie sich einbilden, etwas Besonderes zu sein und nicht einfach anders. Er fragte sich, ob dies der entscheidende Unterschied zwischen Gareth Randolph und Elena Weaver gewesen war. Wir wollen Ihr Gehör gar nicht haben. Elena hingegen hatte man gelehrt, sich jeden Augenblick ihres Lebens bewußt zu sein, daß ihr etwas fehlte, daß sie an einem Mangel litt. Wie hatte Randolph hoffen können, sie für einen Lebensstil und eine Kultur zu gewinnen, die man sie von Geburt an abzulehnen und zu überwinden gelehrt hatte?
    Er versuchte sich vorzustellen, wie es für die beiden gewesen war: Gareth, der, von seiner Sache überzeugt, versucht hatte, Elena dafür zu gewinnen. Und Elena, die sich nur an die Auflagen ihres Collegeleiters gehalten hatte, um nicht der Universität verwiesen zu werden. Hatte sie Interesse an der VGS vorgetäuscht? Enthusiasmus? Und wenn nicht -wenn sie nichts als

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