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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihn beobachtete, zeigte er kein Erstaunen, sondern nickte grüßend und trat aus seiner Sitzreihe, um sich zu Lynley zu gesellen. Ehe er zu sprechen begann, umfing er die Kapelle mit einem Blick.
    »Immer wieder komme ich hierher zurück«, sagte er. »Mindestens zweimal im Monat. Wie der verlorene Sohn. Ich fühle mich hier nie wie ein Sünder unter den Augen eines zornigen Gottes. Wie ein kleiner Gauner vielleicht, aber nicht wie ein Schurke. Welcher Gott könnte zornig bleiben, wenn man ihn in einer Kirche von solch architektonischer Pracht um Vergebung bittet.«
    »Haben Sie es denn nötig, ihn um Vergebung zu bitten?«
    Cuff lachte leise. »Ich unterhalte mich mit einem Polizeibeamten lieber nicht über meine Schandtaten.«
    Sie gingen zusammen aus der Kapelle hinaus. »Ab und zu habe ich einfach das Bedürfnis, dem St. Stephen's College zu entfliehen«, bemerkte Cuff, als sie um den Westteil der Kirche herum in Richtung Trinity Lane gingen. »Meine akademischen Wurzeln sind hier im King's College.«
    »Sie haben hier gelesen?«
    »Ja. Jetzt ist es mir wohl teils Zuflucht, teils Zuhause.« Cuff wies mit erhobenem Arm zu den Türmen der Kapelle, die sich dunkel gegen den Nachthimmel abzeichneten. »So sollten Kirchen aussehen, Inspector. Seit den gotischen Baumeistern hat niemand mehr es so gut verstanden, mit Schöpfungen aus schlichtem, kaltem Stein an die tiefsten Gefühle zu rühren. Man sollte meinen, schon das Material als solches eigne sich dafür nicht. Aber das haben diese Baumeister widerlegt.«
    Lynley kam auf Cuffs erste Bemerkung zurück. »Wovor sucht der Rektor eines College Zuflucht?«
    Cuff lächelte. Im schwachen Licht sah er viel jünger aus als am Vortag in der Bibliothek. »Vor den politischen Machenschaften. Vor den Konflikten innerhalb seines Kollegiums. Vor den Positionskämpfen.«
    »Vor allem also, was mit der Berufung des künftigen Inhabers des Penford-Lehrstuhls einhergeht?«
    »Vor allen Begleiterscheinungen des Lebens in einer Gemeinschaft von Gelehrten, die einen Ruf zu verteidigen haben.«
    »Da haben gerade Sie es mit einem hervorragenden Team zu tun.«
    »Stimmt. St. Stephen's kann sich glücklich preisen.«
    »Gehört auch Lennart Thorsson dazu?«
    Cuff blieb stehen und sah Lynley an. Der Wind zauste ihm das Haar und riß an dem anthrazitgrauen Schal, den er um den Hals geschlungen hatte. Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Der Einstieg war gut«, meinte er beifällig.
    Sie gingen weiter an der alten Juristischen Fakultät vorbei. Ihre Schritte hallten in der schmalen Gasse wider. Vor der Trinity Hall standen ein Junge und ein Mädchen in erregtem Gespräch, Das Mädchen lehnte an der grauen Mauer. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen, und auf ihrem Gesicht glänzten Tränen. Der Junge, eine Hand neben ihrem Kopf an die Mauer gestützt, die andere auf ihrer Schulter, sprach in zornigem Ton auf sie ein.
    » Du verstehst es ja überhaupt nicht«, sagte sie.» Du willst es gar nicht verstehen. Du willst nur -«
    »Kannst du nicht endlich mal aufhören, Beth? Du tust wirklich so, als hätte ich nichts anderes im Sinn, als jede Nacht in dein Bett zu kriechen.«
    Das Mädchen wandte den Kopf ab, als Cuff und Lynley vorbeikamen. Cuff sagte gedämpft: »Immer läuft es auf diesen Streit hinaus. Ich bin fünfundfünfzig Jahre alt und frage mich immer noch, warum das so sein muß.«
    »Ich vermute, es beruht auf dem, was jungen Mädchen eingebleut wird«, versetzte Lynley. »Nimm dich vor den Männern in acht. Sie wollen alle nur das eine, und wenn sie es haben, verschwinden sie. Gib ja nicht nach. Trau ihnen nicht über den Weg. Trau am besten überhaupt keinem Menschen.«
    »Würden Sie auch so mit Ihrer Tochter reden?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lynley. »Ich habe keine Tochter. Ich möchte gern glauben, daß ich ihr sagen würde, sie soll sich auf die Stimme ihres Herzens verlassen. Aber ich bin eben ein unverbesserlicher Romantiker.«
    »Merkwürdig für einen Mann mit Ihrem Beruf.«
    »Ja, nicht wahr?« Ein Auto näherte sich und bremste zum Abbiegen ab. Im Licht der Scheinwerfer sah Lynley Cuff an.
    »Sex ist in einem Milieu wie diesem hier eine gefährliche Waffe. Warum haben Sie mir nichts von Elena Weavers Vorwürfen gegen Lennart Thorsson gesagt?«
    »Ich hielt es für unnötig.«
    »Unnötig?«
    »Das Mädchen ist tot. Ich habe keinen Sinn darin gesehen, etwas zur Sprache zu bringen, was völlig unbewiesen ist und höchstens dem Ruf eines unserer Dozenten geschadet

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